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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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und schon steht man auf der Straße. Berufspolitiker sind oft zwölf Stunden am Tag im Einsatz. Viele von ihnen pendeln zwischen ihrem privaten Wohnort (das ist dann meist auch ihr Wahlkreis) und Berlin oder der jeweiligen Hauptstadt des Bundeslandes. Das heißt, sie sehen ihre Familie nur am Wochenende oder gar nur alle zwei Wochen. Nicht viel besser ist es, in einem sogenannten Feierabend-Parlament wie der Hamburger Bürgerschaft zu sitzen. Die Abgeordneten dort gehen tagsüber ihrem normalen Job nach und sollen abends noch regieren. Vorteil: Sie sind finanziell unabhängig von ihrer Partei und vom Staat und können daher freier entscheiden. Nachteil: Es ist unheimlich anstrengend, Politik und Beruf zu vereinbaren. Und sie haben nicht so viel Zeit wie hauptberufliche Kollegen, sich mit einer Sache gründlich zu beschäftigen. Auch bei den Berufspolitikern sind die Karriereaussichten unsicher. Minister werden nur sehr wenige (dann immerhin hat man ausgesorgt, weil die Pensionen doch ganz ordentlich sind).
    Diese alltäglichen Anforderungen sind vermutlich ein Grund dafür, dass in allen Parlamenten verhältnismäßig viele Lehrer und Juristen sitzen – das sind tendenziell Leute, die sowieso gerne anderen erzählen, wie etwas ist. Juristen haben zudem gelernt, Gesetzestexte zu verstehen. Außerdem: Für Einsätze als Politiker muss man Zeit haben. Das heißt, man wird von der Arbeit beurlaubt oder reduziert die Stundenzahl. Das ist nicht in allen Berufen möglich. Rechtsanwälte können ihre Praxis von einem Partner führen lassen, während sie in der Politik sind. Lehrer, die im Regelfall vom Staat beschäftigt werden, können sich freistellen lassen und haben die Sicherheit, in ihren Beruf zurückkehren zu dürfen, wenn sie abgewählt und damit als Politiker arbeitslos werden. Für einen mittelständischen Unternehmer hingegen ist es riskanter, mehrere Jahre auszusteigen beziehungsweise das Unternehmen nur nebenher zu führen. Und wer etwa als IT-Spezialist in einer Computerfirma gearbeitet hat, wird Schwierigkeiten haben, wieder eine Anstellung zu finden, wenn er acht Jahre aus dem Job raus war und viele neue Entwicklungen verpasst hat. Ingenieure, Architekten, Mediziner – davon würde man sich mehr in der Politik wünschen, weil es doch oft um solche Fachthemen geht und gerade in diesen Bereichen so viel schiefläuft. Bei öffentlichen Bauvorhaben etwa kann man sich oft nur wundern, wie inkompetent Politik und Verwaltung agieren. Das hat auch damit zu tun, dass im Verwaltungsapparat seit vielen Jahren massiv gespart wird – hochqualifiziertes Fachpersonal ist oft nicht mehr bezahlbar, und so verantworten plötzlich sehr kleine Geister sehr große Projekte. Deshalb wäre es schon hilfreich, wenn wenigstens unter den Politikern mehr unterschiedliche Berufe vertreten wären. Aber mal ehrlich: Wenn Sie eine eigene Zahnarztpraxis haben oder einen guten Posten als kaufmännischer Angestellter bei einem Autobauer – würden Sie kündigen, um in die Politik zu gehen? Als Hinterbänkler, der bei der nächsten Landtagswahl schon wieder rausfliegen kann aus dem Parlament? Wer es in politische Spitzenpositionen geschafft hat, ist natürlich abgesichert. Darum kümmert sich auch die Partei. Ex-Politiker landen gerne bei Verbänden, in den Gewerkschaften oder auf hohen Verwaltungsposten. Aber dafür gibt es keine Garantie. Für viele ist der Gang in die Politik durchaus mit persönlichen Risiken verbunden.
    Heulsusen haben keine Chance
    Außerdem braucht man als Politiker auch ein dickes Fell. Nicht nur, weil man öffentlich viel kritisiert wird, sondern auch, weil in dem Beruf viel und heftig gestritten wird. Mit Politikern anderer Parteien und mit den eigenen Parteikollegen. Wer sich empfindlich zeigt, dem kann es durchaus passieren, dass er als »Heulsuse« bezeichnet wird. Das hat jedenfalls der damalige SPD -Finanzminister Peer Steinbrück Parteikollegen an den Kopf geworfen, als über die Agenda-Sozialreformen diskutiert wurde. Von Steinbrück stammt auch der Spruch, dass man in der Politik besser kein »Glaskinn« haben sollte. Weil einem halt öfter mal was an den Kopf geknallt wird …
    Warum also gehen kluge Leute überhaupt in die Politik? Manche rutschen einfach rein, und irgendwann packt sie der Ehrgeiz, in höhere Ämter gewählt zu werden, um mehr durchsetzen zu können. Bei vielen sind Idealismus und Überzeugung die Ausgangsmotivation. Natürlich gibt es auch Zeitgenossen, die nur persönliche Vorteile

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