Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
ihn direkt beraten, während die Parlamentarischen Staatssekretäre eine Art Schnittstelle zwischen Minister und Fraktion bilden sollen, im Grunde aber meist ohne großen Einfluss sind. Manchmal wird die Position auch zur Postenversorgung von geschätzten Parteikollegen genutzt. Die Parlamentarischen Staatssekretäre verlieren ihr Amt automatisch, wenn der Minister geht, weil sie keine Beamten sind. Sie sitzen zudem als Abgeordnete im Bundestag, manchmal sogar auf der Regierungsbank, wenn der Minister verhindert ist oder keine Lust hat. Vor allem sind die »Parlamentarischen« dafür zuständig, für ihren Minister die Fraktion bei Laune zu halten. Sie helfen dem Minister also dabei, seine Gesetzespläne mit den Abgeordneten im Bundestag abzusprechen, damit die auch brav mit Ja stimmen.
Wirklich mächtig sind hingegen die beamteten Staatssekretäre; sie gelten als die heimlichen Könige Berlins. Sie haben die meiste Ahnung und machen die meiste Arbeit, sie leiten für den Minister die Behörde. Auch sie sind politische Beamte, die ihren Job verlieren können, wenn sich der Wind dreht. Ein CDU -Minister will in der Regel verständlicherweise keinen SPD -Staatssekretär an der Spitze seines Ministeriums haben. Also müssen auch beamtete Sekretäre bei einem Regierungswechsel ihren Platz räumen. Beamtete Staatssekretäre können jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Dann erhalten sie gut 70 Prozent ihres bisherigen Gehalts als Übergangsgeld, allerdings höchstens drei Jahre lang, und danach eine Pension. Das ist bei den Parlamentarischen Staatssekretären nicht so. Entlassene Minister oder Staatssekretäre bekommen aber oft gut bezahlte neue Jobs bei internationalen Großkonzernen, zum Beispiel im Aufsichtsrat oder als Berater.
Die Staatssekretäre werden von den Abteilungsleitern darüber auf dem Laufenden gehalten, was in den verschiedenen »Referaten« los ist. So nennt man die Abteilungen in Behörden. Wer dort arbeitet, wird nicht gewählt und muss normalerweise bei einem Regierungswechsel auch nicht um den Job fürchten. Das mag auf den ersten Blick undemokratisch erscheinen, ist aber sinnvoll, weil man ja sonst alle vier Jahre viele tausend Stellen neu besetzen müsste und monatelang keiner wüsste, was zu tun ist. Solange die Mitarbeiter die Vorgaben der Chefs (also: der Minister und Staatssekretäre) befolgen, läuft der Laden. Trotzdem werden bei einem Regierungswechsel auch die Ministerien meist »umgestrichen«, das heißt, sie wechseln die politische Farbe. Auf die Schlüsselpositionen kommen dann Mitarbeiter mit dem Parteibuch des neuen Ministers. Manchmal kann es aber auch ganz geschickt sein, die Mitarbeiter des Vorgängers zu behalten. Sie mögen zwar einer anderen Partei angehören, sind aber so dankbar, dass sie ihren Job nicht wie befürchtet verlieren, dass sie auch dem neuen Minister gegenüber loyal sind. Im Außenministerium kann das ganz gut funktionieren, weil die Außenpolitik weit weniger »parteilich« ist als andere politische Bereiche.
Ein großes Ministerium kann bis zu 100 Referate haben – dann gibt es sogar mehrere Staatssekretäre, die sich die Arbeit teilen. Und was machen die nun den ganzen Tag? Dasselbe, was Chefs überall machen: Sie sitzen am Schreibtisch und lesen bergeweise dicke Akten. Sie entscheiden, was dem Minister auf den Schreibtisch gelegt wird. Zwischendurch sitzen sie in Sitzungen und besprechen das weitere Vorgehen mit den Mitarbeitern. Dann erklären sie dem Minister, was der wissen muss, und überlegen vielleicht auch, worauf er oder sie bei einer wichtigen Rede hinweisen oder womit er/sie sich profilieren könnte. Sie sprechen mit Leuten aus der Praxis, zum Beispiel mit Unternehmern, und überlegen, welche neuen Vorhaben der Minister anstoßen könnte. Sie führen für den Minister Verhandlungen. Sie achten darauf, dass das Ministerium innerhalb einer Regierungskoalition eine wichtige Rolle spielt und genug Geld bekommt. Sie sprechen auch mit Journalisten und sorgen dafür, dass der Minister möglichst gut dasteht. Und dann warten sie wieder darauf, dass ihnen neue Akten gebracht werden, in denen sie nachlesen können, dass alles so läuft wie besprochen. Manchmal ist ein Staatssekretär für den Minister ein so enger Vertrauter, dass die beiden ein ganzes politisches Leben eng zusammenarbeiten. Für Franz Müntefering zum Beispiel war Kajo Wasserhövel, sein Staatssekretär im Arbeitsministerium, derart wichtig, dass er ihn zum SPD
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