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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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-Generalsekretär machen wollte. Als die Partei dagegen war, schmiss Müntefering 2005 seinen Zweitjob als SPD -Chef hin.
    Ein guter Staatssekretär oder Staatsminister macht seinem Vorgesetzten nicht das Rampenlicht streitig, sondern wirkt weitgehend lautlos im Verborgenen. Auch in einigen Bundesländern gibt es Staatssekretäre, die natürlich weniger verdienen und weniger zu sagen haben. Auf jeden Fall gehören die Staatssekretäre zum obersten Regierungspersonal, und um ihre Posten wird fast genauso geschachert wie um die Ministerposten.

Gesetze wecken Begehrlichkeiten
    Es könnte so einfach sein. Politiker in Berlin überlegen sich, was sie machen wollen, zum Beispiel: »Das Müllrecycling soll verbessert werden.« Sie denken sich eine neue Wertstofftonne aus, in die die Bürger nicht nur wie bisher in den gelben Sack Joghurtbecher und Ähnliches schmeißen dürfen, sondern auch sperrige Abfälle wie Fahrradschläuche, Kleiderbügel oder verbrannte Kochtöpfe. Natürlich gibt es bereits ein Gesetz, das die Müllentsorgung in Deutschland regelt (es gibt zu fast allem schon ein Gesetz), aber das kann man ja neu formulieren und ergänzen. Damit handelt es sich »nur« um eine Gesetzesnovelle, die aber den gleichen Weg geht wie ein komplett neues Gesetz. Die Idee dazu kann ein Minister haben, ein Bundestagsabgeordneter oder auch ein Bundesland. Bürger können ebenfalls Gesetzesvorschläge einreichen, sogenannte Petitionen, die gegebenenfalls im Bundestag besprochen werden.
    Nach Vorbereitung im jeweiligen Ministerium, in unserem Fall das Umweltschutzministerium, wird das Gesetz vom Kabinett beschlossen und in den Bundestag eingebracht. Dort wird es dann zum ersten Mal diskutiert, das ist die sogenannte »1. Lesung«. Danach wird es in den Ausschüssen beraten. Dort treten Experten auf, und gleichzeitig reden viele Lobbyisten auf die Abgeordneten ein, um ihnen klarzumachen, warum es gut oder schlecht ist, eine solche Tonne einzuführen, und wer dafür zuständig sein soll. Die Vertreter der privaten Entsorgungswirtschaft (z. B. Schrotthändler) haben da eine Menge Kritikpunkte, weil sie fürchten, dass die Kommunen ihnen lukrative Wertstoffe wegnehmen wollen. Da geht’s um viel Geld. Bei Gesetzen geht es immer um viel Geld. Die einen wollen es haben, die anderen wollen es nicht ausgeben. Schließlich wird das Gesetz in überarbeiteter Form wieder in den Bundestag eingebracht (»2. Lesung«), dann vielleicht noch mal ein wenig verfeinert und schließlich in der »3. Lesung« verabschiedet. Allerdings kann es trotzdem wieder auftauchen, nämlich wenn es durch den Bundesrat muss, weil das Gesetz die Zustimmung der Länder braucht. Wie in unserem Müll-Beispiel. Erst wenn die Länder Ja zum neuen »Kreislaufwirtschaftsgesetz« sagen, kann der Bundespräsident das Gesetz prüfen und unterschreiben – dann tritt es in Kraft und erscheint im Bundesgesetzblatt.
    Damit muss aber immer noch nicht Schluss sein. Manchmal fühlt sich jemand dermaßen benachteiligt, dass er oder sie vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz klagt. Dann ist das Gesetz erst durch, wenn auch das Bundesverfassungsgericht keine Beanstandungen hat. Es bleibt aber noch eine Unwägbarkeit: Möglicherweise klagt jemand vor dem Europäischen Gerichtshof. Denn natürlich gibt es auch eine EU -Abfallrahmenrichtlinie; die einzelnen EU -Länder dürfen mit ihrem Müll nicht einfach verfahren, wie sie wollen.
    Für dieses wie für alle Gesetzesvorhaben gilt: Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gibt es am ursprünglichen Entwurf eine Menge Änderungen. Der frühere Fraktionschef der SPD , der inzwischen verstorbene Peter Struck, hat das einmal sehr prägnant formuliert: »Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist.« Die Aussage ist zum geflügelten Wort geworden und wird im Berliner Politjargon »das Struck ’ sche Gesetz« genannt.
    Zwischen Bürgerschutz und Volkserziehung
    Manchmal ist die Entstehung eines Gesetzes geradezu absurd verwickelt. Zum Beispiel beim Nichtrauchergesetz. 3300 Menschen sterben in Deutschland alljährlich am Passivrauchen, 130000 am Rauchen selbst. Das ist unbestritten. Und europaweit sind Rauchverbote sowieso schon üblich. Okay, könnte man denken, kein Problem. Die Regierung verbietet das Rauchen – und logischerweise auch den Verkauf von Zigaretten und Tabak. Andererseits: Rund 14 Milliarden Euro Tabaksteuer lässt man sich nur ungern entgehen. Ein absolutes Verbot ist also schon

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