Kap der Finsternis: Roman (German Edition)
seinen Namen. Er musste alle Mühe aufbringen, sich von ihnen zu entfernen und seine verkrusteten Augen zu öffnen. Ein verschwommener Fleck. Grelles Sonnenlicht blendete ihn. Er blinzelte, zwang seine Augen zu fokussieren und sah die Cape Flats an sich vorbeiziehen.
Er befand sich in einem Auto. Der Ford. Auf der Rückbank, sein Gesicht gegen die Seitenscheibe gedrückt. Obwohl die Sonne schien und er in eine Decke gehüllt war, war ihm kalt, er zitterte. Sein Fett wackelte wie Pudding. Und er hatte fürchterliche Schmerzen, jede Faser seines Körpers schien vor Schmerz und Qualen zu schreien. Sein Mund war trocken und seine Zunge geschwollen.
Er versuchte, den Kopf zu bewegen. Unbeschreiblicher Schmerz brannte durch seine Nervenenden, als es ihm schließlich gelang, den Kopf zu drehen und nach vorne zu schauen. Er hörte eine Stimme, den Amerikaner, aus weiter, weiter Ferne.
»Er ist wach.«
Barnard blickte in dieses Albtraumgesicht, das fehlende Auge, die riesige Narbe. Der Nachtwächter, der Mischling, starrte ihn vom Vordersitz aus an. Er streckte den Arm nach hinten und drückte ihn zurück in den Sitz. Barnard hörte das Jaulen eines Tieres und begriff dann, dass er selbst es war, ein Laut größter Qual, der sich aus seinem Körper löste.
Der Mischling zog ihm die Decke über das Gesicht, und Rudi Barnard sah nichts mehr außer den Toten.
KAPITEL 28
Kein Tag verging, an dem Fingers Morkel nicht mit entsetzlichen Schmerzen in seinen fehlenden Fingern aufwachte. Den Fingern, die Benny Mongrel mit seinem Messer abgetrennt hatte. Als er im Bett lag, hob Fingers seine beiden vernarbten Stümpfe auf Augenhöhe, um sich zu vergewissern, dass die Finger wirklich ab waren. Das waren sie, aber Schmerzen hatte er trotzdem. Ärzte hatten ihm gesagt, dass das Phantomschmerzen seien.
Sie machten alle möglichen klugscheißerischen Vorschläge: Hitze auf die Stümpfe anwenden, Dehnübungen für alles, was von seinen Händen noch da war, um den Kreislauf zu verbessern. So ein weißes Arschgesicht hatte ihm tatsächlich gesagt, er solle sich vorstellen, Übungen mit den fehlenden Fingern zu machen. Fingers stellte sich vor, diesem Arschloch von Arzt den Mittelfinger zu zeigen, doch damit war er weder den Schmerz noch die Wut losgeworden.
Fingers’ Lösung für diese ganze traurige Scheiße bestand darin, sich so viele Drogen wie nur möglich einzuwerfen. Und sich vorzustellen, Benny Mongrel umzulegen.
Indem er ihm die Finger entfernte, hatte Benny Mongrel ihn vieler Freuden beraubt. Er konnte einem Arschloch keine Kanone mehr an den Kopf halten, konnte nicht mehr spüren, wie sich der Zeigefinger um den Abzug krümmte, wenn er ihnen die Rübe wegpustete. Er konnte auch den Schlampen nicht mehr die Hände um den Hals legen und sie beim Ficken halb erwürgen.
Und dann waren da noch die Erdnüsse. Er mochte die scheiß Dinger so sehr, dass er früher unter dem Spitznamen Peanuts bekannt gewesen war. Ein Spitzname, der ihm viel lieber war als der jetzige, der ihn permanent daran erinnerte, was ihm angetan worden war und von wem. Er hatte die Nüsse erst schälen müssen. Das war ja gerade der Witz, daran: die Schale zu knacken, mit den Fingern die beiden Nüsse rauszufummeln.
Wenn er heute Erdnüsse essen wollte, musste er sich von einem seiner Jungs die Schalen knacken und die Nüsse in einem kleinen Haufen auf einen Pappteller legen lassen, damit er den Teller zwischen seine beiden Daumen nehmen und sich die Nüsse in den Mund kippen konnte. Es war erniedrigend. Er war überzeugt, dass seine Jungs hinter seinem Rücken über ihn lachten, daher hatte er aufgehört, Erdnüsse zu essen.
Benny Mongrel. Wie dieser hässliche Bastard gestern Abend ins Lotus River gekommen war, sich hingesetzt und ihn angestarrt hatte. Als besäße er immer noch die gleiche Macht wie in Pollsmoor. Draußen war er gar nichts. Ein Scheißdreck war er. Der einzige Grund, warum Fingers ihn nicht dort in der Kneipe und auf der Stelle kaltgemacht hatte, war Respekt vor Llewellyn Hector. Er wollte vor Hector keine Sauerei veranstalten.
Aber das war gestern gewesen. Heute war ein neuer Tag.
Nachdem er seine Stümpfe ausgiebig gemustert hatte, setzte Fingers sich im Bett auf. Die Sonne brannte auf das Blechdach seines kleinen Hauses, und er hatte furchtbaren Durst.
»Rashied«, brüllte er. Nach einigen Sekunden steckte ein tätowierter Mongrel mit rasiertem Schädel seinen Kopf ins Schlafzimmer. »Bring mir ’ne Coke. Die ganze
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