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Kap der Finsternis: Roman (German Edition)

Kap der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Kap der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Smith
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Oberkörper war kreuz und quer überzogen mit Schnitten, manche stark blutend, andere von bereits gerinnendem Blut umgeben.
    Er ist tot, dachte Burn. Wie auch nicht?
    Der Nachtwächter hockte vor dem fetten Bullen und steckte sich eine Zigarette an. Er schaute nicht zu Burn auf. Er inhalierte tief und stieß eine Rauchwolke zur Decke hinauf aus, dann beugte er sich vor und legte die Zigarette behutsam, fast zärtlich zwischen Barnards Lippen. Eine Weile baumelte sie dort, dann sah Burn die Spitze aufglühen, als Barnard inhalierte. Er lebte noch.
    Schließlich sah der Nachtwächter Burn an.
    »Und?«, fragte Burn.
    Der Wachmann nickte. »Er hat geredet.«
    Der Junge weckte sie, zog an ihrem Arm. Carmen stöhnte und öffnete die Augen. Sie spürte sofort das Pochen in ihrer Wange, wo der fette Bastard sie erwischt hatte. Sie beachtete den Jungen nicht weiter, der irgendwas von seiner Mami jammerte, stieg nackt aus dem Bett und ging zu den Überresten ihres Spiegels hinüber. Mein Gott, ihr Gesicht sah vielleicht scheiße aus. Die Wange war stark angeschwollen und so bunt, dass daneben ein Regenbogen blass aussehen musste.
    Sie wusste nicht, was schlimmer war, die pochende Wange oder die Spinnen, die über ihre Haut krochen. Sie kratzte sich fest genug, dass ihre abgebrochenen Fingernägel sofort kleine Wunden aufrissen. Sie musste sich was reinziehen, und zwar schnell. Aber sie hatte keinen einzigen verschissenen Cent mehr. Das Geld von Gatsby war weg, und er hatte sich verpisst, ohne mehr dazulassen.
    Sie zog sich an, versuchte, das jammernde Gör auszublenden. Als sie das unendlich nervige Geflenne und Gejammere nicht mehr ertragen konnte, pulverisierte sie eine halbe Mogadon in einem Teelöffel. Sie schenkte einen Rest Milch in ein Glas, ließ das Pulver hineinrieseln und rührte um, bis es sich aufgelöst hatte.
    Das Glas reichte sie dem Jungen. »Trink das.«
    Er schüttelte den Kopf, die Augen verquollen vom vielen Weinen. Sie kniete sich vor ihn, sah ihm direkt in die Augen. »Matt, du trinkst das jetzt, und nachher bringe ich dich zu deiner Mami, okay?«
    Er sah sie misstrauisch an. »Versprichst du das?«
    »Ehrenwort.« Zur Bekräftigung legte sie die Hand aufs Herz, Gott vergebe ihr. Und der Junge trank einen Schluck Milch. Er verzog das Gesicht. Sie war sauer. »Nur, wenn du das ganze Glas austrinkst.«
    Er zwang die restliche Milch runter, hatte anschließend einen weißen Schnurrbart. Es dauerte keine Minute, und er sah völlig benommen aus. Sie legte ihn auf ihr Bett und machte sich dann mit einer Bürste daran, ihre wilden Haare zu bändigen. Schon bald hörte sie den Jungen leise schnarchen.
    Jetzt brauchte sie eine Ladung.
    Auf dem Weg zur Tür kam sie an Onkel Fatty vorbei, der wie immer auf dem Sofa lungerte und Zwiesprache mit einem Schlauch Wein hielt, wie immer nur in seiner dreckigen Unterwäsche.
    »Ich komme wieder, okay?«
    Er nickte, starrte ins Leere.
    Sie machte sich auf die Jagd nach Tik, bettelte, redete, ließ Abweisungen und Beschimpfungen über sich ergehen, bis sie schließlich den Spasti Conway fand. Sie erzählte ihm weitere dumme Lügen darüber, ihn als Dealer bei Rikki unterzubringen, und schließlich machte er ihr einen Globe.
    Gierig sog sie den Rauch in ihre Lunge und fand Frieden. Zumindest für den Augenblick.
    Als sie zu ihrem Wohnblock zurückeilte, versuchte Carmen sich klar zu werden, wie lange sie wohl fort gewesen sein mochte. Sie hatte keine Ahnung. Was, wenn der fette Bastard zurückgekommen war und das Kind wieder mitgenommen hatte, ohne ihr mehr Geld dazulassen? Sie begann zu laufen. Das Tik wirkte wie reine Energie. Sie lief die Treppe hinauf, schloss die Wohnungstür auf und ging hinein. Das Sofa war leer. Sie ging ins Schlafzimmer und blieb in der Tür stehen. Sie brauchte ein paar Minuten, um zu begreifen, was sie da sah.
    Der amerikanische Junge lag ohnmächtig auf dem Bett. Onkel Fatty kauerte über ihm und war dabei, dem Jungen die Schlafanzughose aufzubinden. Sein Gebiss lag neben dem Kind auf dem Bett. Der alte Mann drehte sich um und sah sie an, der Sabber zog sich in Fäden von seinem zahnlosen Zahnfleisch.
    Carmen schnappte sich das Erstbeste, was ihr in die Finger kam, eine Gipsfigur der Heiligen Jungfrau Maria. Sie ließ die Jungfrau auf Onkel Fattys Schädel krachen, wieder und wieder und wieder, und das Blut spritzte ihr übers Gesicht und übers T-Shirt.
    Die Toten sprachen zu Barnard. Ein Chor gespenstischer Stimmen raunte ihm zu. Sie riefen

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