Kap der Finsternis: Roman (German Edition)
veranstaltete ein langsames Tänzchen auf der Holztheke. Als er Mrs. Dollies Namen auf dem Display sah, ging er sofort ran. »Ja?«
»Will mich nur vergewissern, dass du keine Dummheiten machst.«
»Ich fahre jetzt gleich das Geld holen. Sobald die Banken öffnen.«
»Gut. Ich rufe später an. Mit den Einzelheiten.«
Burn versuchte, seiner Stimme eine gewisse Autorität zu verleihen. »Allerdings werde ich das Geld nicht übergeben, bevor ich meinen Sohn habe.«
»Ach ja, ist das so?« Es folgte eine Pause, das Telefon schlug gegen etwas, dann hörte er aus einiger Entfernung die Stimme des Mannes. »Sag deinem Daddy Hallo.«
Dann Matts Stimme. »Daddy?«
Er hörte die panische Angst in der Stimme seines Sohnes, und er konnte nur antworten.
»Matty, alles wird wieder gut. Daddy kommt und holt dich.« Dann stieß Matt einen Schrei aus. Einen durchdringenden Schrei, gefolgt von Schluchzen. Burn brüllte ins Telefon. »Hör auf, du Bastard! Tu ihm nicht weh!«
Der Mann war zurück. »Ganz ruhig, nur ein kleines Zwicken, das bringt ihm ein bisschen Farbe auf die Wangen. Aber du gibst hier keine Befehle, die kommen allein von mir. Verstanden?«
»Ja. Verstanden.«
»Und jetzt hol das scheiß Geld, ich rufe nachher wieder an.«
Die Verbindung wurde unterbrochen.
Susan wachte in dem Glauben auf, ihr Baby verloren zu haben. Sie schwitzte und atmete stoßweise, während sie sich aus ihrem Albtraum befreite. Sie brauchte etwa eine Minute, bis ihr wieder einfiel, wo sie war. Auf der Privatstation in der Klinik, strahlender Sonnenschein hinter den Vorhängen. Sie legte eine Hand auf den Bauch und spürte ihre Tochter treten.
Sie lehnte sich zurück, versuchte, ihre Atmung zu beruhigen, atmete lang und tief durch die Nase ein, so wie sie es beim Yoga gelernt hatte. Ihrem Baby ging es gut. Dann begriff sie, dass es bei diesem Traum, bei diesem Albtraum nicht um ihr ungeborenes Kind gegangen war. Es war um Matt gegangen. Und eine namenlose Furcht nahm ihr den Atem. Irgendetwas war mit ihrem Sohn nicht in Ordnung.
Sie zwang sich zur Ruhe. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie sich Matt gegenüber so distanziert verhalten hatte. Sie versuchte sich zu überzeugen, dass sie im Lauf der letzten paar Tage ihre Beziehung mit ihm wieder in Ordnung gebracht hatte. Ihn wieder in ihr Herz geschlossen hatte. Aber die Wahrheit ließ sich nicht leugnen. Wenn sie ihren Sohn ansah, dann sah sie immer auch seinen Vater.
Susan lag da und erinnerte sich, wie sie Jack Burn kennengelernt hatte. Wie er sie umworben hatte, ihr unaufhörlich hinterhergelaufen war. Sie war jung gewesen, hatte nur die Unbeholfenheit von Männern, eigentlich noch Jungs, ihres eigenen Alters gekannt und war diesem fast vierzigjährigen Mann nicht gewachsen.
Kurz vor ihrer Hochzeit hatte es einen Moment gegeben, da hatte sie gefröstelt, als hätte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben. Sie wurde nervös. Alles ging viel zu schnell. Konnte sie diesem so viel älteren Mann vertrauen, den sie eigentlich kaum kannte?
Jack hatte getan, was er immer tat: hatte sie in den Arm genommen und beruhigt. Hatte ihr gesagt, er liebe sie. Also hatten sie geheiratet, und Matt war auf die Welt gekommen, und sie fand Erfüllung und war glücklich wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
Als sie von Jacks Leidenschaft fürs Glücksspiel erfuhr, hatte sie gedacht, ihre Vorahnung würde sich bewahrheiten. Aber er schwor ihr, nie wieder zu spielen.
Sie hatte ihm geglaubt.
Dann kamen Milwaukee und die Ereignisse, die sie schließlich nach Kapstadt gebracht hatten. Inzwischen empfand sie eine abergläubische Furcht, fast eine Vorahnung, dass ihr Glück lediglich geborgt gewesen war, etwas, das ihr nie wirklich gehört hatte und das sie nur auf Kosten anderer hatte erfahren dürfen.
Und dass dafür noch ein Preis gezahlt werden musste.
Burn befand sich gerade an der Haustür, als das Festnetztelefon klingelte. Er wollte es erst ignorieren. Er wusste, dass es nicht der Kidnapper war. Aber was, wenn es die Klinik war? Was, wenn es Komplikationen gegeben hatte?
Er ging zurück und nahm den Hörer ab. Susans Stimme, aufgelöst, verzweifelt.
»Susan, ist alles in Ordnung? Mit dem Baby?«
»Alles bestens, Jack. Ich möchte mit Matt sprechen.«
Burn musste sich die größte Mühe geben, seine Stimme ruhig zu halten. »Er ist nicht hier.«
»Wo ist er?« Sofort klang ihre Stimme noch angespannter als vorher.
Er hörte sich lügen. »Er ist mit Mrs. Dollie spazieren. Sie ist
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