Kaperfahrt
hinüber, der in der Nähe der Eingangstür herumstand und den Knopfhörer eines Funkgeräts im Ohr hatte. Jedes Mal, wenn sich die Blicke der beiden Männer trafen, schüttelte der Helfer unmerklich den Kopf.
Charles Moons Leibwächter hatte den Botschafter auf dieses Verhalten aufmerksam gemacht, und als er den libyschen Minister eingehender studierte, gewahrte er weitere Anzeichen für seine Unruhe. Ghami trat ständig von einem Fuß auf den anderen oder schob die Hände in die Taschen seines Smokings, um sie gleich wieder herauszuziehen. Viele Gäste waren es sichtlich leid, der langen Rede zu folgen, die nun schon fast eine halbe Stunde dauerte, doch Ghami erschien eher erregt als gelangweilt.
Er sah wieder seinen Helfer an. Der Mann im Anzug hatte sich leicht abgewendet und eine Hand am Ohr, um bei Gaddafis monotoner Stimme besser hören zu können. Er drehte sich kurz darauf um und nickte Ghami mit einem triumphierenden Lächeln zu.
»Die Vorstellung beginnt«, sagte Moons Leibwächter lässig.
Ghami trat auf eine der Stufen, um den libyschen Präsidenten auf sich aufmerksam zu machen. Als Gaddafi seine Lobeshymnen auf Fiona Katamora unterbrach, stieg der Minister höher hinauf und flüsterte dem Präsidenten etwas ins Ohr.
Gaddafi erbleichte. »Ladies und Gentlemen«, sagte er, wobei seine Stimme, die soeben noch so gefühlvoll und klar geklungen hatte, hörbar zitterte, »mir wurde soeben die entsetzlichste Nachricht übermittelt.«
Moon übersetzte für seinen Begleiter.
»Es scheint, als habe die geliebte amerikanische Außenministerin den entsetzlichen Flugzeugabsturz überlebt.« Die Reaktion darauf war ein kollektiver Seufzer, und aufgeregtes Stimmengewirr brandete im Raum auf. »Bitte, Ladies und Gentlemen, ich bitte weiter um Ihre Aufmerksamkeit. Es ist nicht so, wie es auf den ersten Blick erscheint. Nach dem Absturz wurde sie von Kräften entführt, die Suleiman Al-Jama treu ergeben sind. Ich habe soeben erfahren, dass sie im Begriff sind, ihre Hinrichtung vorzunehmen. Minister Ghami teilte mir außerdem mit, dass sie eine Möglichkeit gefunden haben, mit uns in diesem Haus zu kommunizieren.«
Gaddafi folgte seinem Außenminister in den angrenzenden Raum, und schon bald drängten sich zahlreiche der kaltblütigeren Gäste bis in den letzten Winkel. Der Leibwächter hielt Moon zurück, so dass sie sich immer noch in der Eingangshalle befanden und über die Schultern der anderen hinwegblickten. Der Fernseher war eingeschaltet worden, und sein blasser Schimmer ließ die Anwesenden aussehen, als wäre jeder Tropfen Blut aus ihren Körpern gewichen. Mehrere Frauen schluchzten.
Plötzlich erschien ein Bild auf dem Monitor. Vor einem schwarzen Hintergrund saß Ministerin Katamora. Ihr Haar war nach den durchgemachten Torturen ein Wust verfilzter Strähnen, und ihre großen dunklen Augen waren rot gerändert. Der Knebel vor ihrem Mund verzerrte die Wangen zu einem hässlichen Grinsen, aber sie war noch immer schön.
Das Schluchzen der Frauen im Saal wurde heftiger.
Ein Mann, der sein Gesicht hinter einer karierten Kufiya verbarg, trat ins Bild. Er trug einen Krummsäbel mit einer kleinen Scharte in der Klinge. »Wir, die Diener Suleiman Al-Jamas, sind heute zusammengekommen, um die Welt von einem weiteren Ungläubigen zu befreien«, verkündete er. »Dies ist unsere Antwort auf die Bemühungen der Kreuzritter, uns ihre Verderbtheit aufzuzwingen. Von dieser gottlosen Frau stammen die schlimmsten ihrer Lügen, und dafür verdient sie den Tod.«
Der Leibwächter beobachtete aufmerksam Ghamis Reaktion. Irgendetwas von dem, was sich auf dem Bildschirm abspielte, versetzte ihn in Unruhe.
Gaddafi ergriff die kleine Kamera auf dem Fernsehständer und hielt sie auf Armeslänge vor sich. »Mein Bruder«, sagte er. »Mein muslimischer Bruder, der vom Glanz Allahs, Friede sei mit ihm, erleuchtet wird. Dies ist nicht der richtige Weg. Friede ist die natürliche Ordnung der Welt. Blutvergießen erzeugt nur weiteres Blutvergießen. Erkennst du nicht, dass nichts damit erreicht wird, wenn du ihr das Leben nimmst? Es wird das Leid in der muslimischen Welt nicht beenden. Dies lässt sich nur durch Gespräche erreichen. Erst wenn wir uns mit unseren Feinden zusammensetzen und darüber diskutieren, was uns so weit gebracht hat, können wir hoffen, irgendwann in Harmonie zu leben.«
»Der Koran lehrt uns aber, dass mit den Ungläubigen keine Harmonie möglich ist.«
»Der Koran lehrt uns auch, alles Leben zu
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