Kaperfahrt
römischen Fundort, eine halbe Meile landeinwärts vom Mittelmeer entfernt. Man hatte dieses Feld lange für den Standort einer Sommerresidenz des Claudius Sabinus, der der örtliche Gouverneur gewesen war, gehalten. Doch es stellte sich heraus, dass der Komplex verfallener Gebäude noch eine Überraschung bereithielt. Offenbar gehörte zu der Anlage nämlich auch ein großer Tempel, von dessen Existenz bislang nichts bekannt gewesen war. Unter den Archäologen im Lager kursierte nun die Auffassung, dass Sabinus Oberhaupt einer Sekte gewesen sein könnte und, wenn man den Zeitpunkt seines Wirkens in dieser Gegend betrachtete, die Vermutung nahelag, dass er möglicherweise zum christlichen Glauben übergetreten war.
Professor Bill, wie Galt am liebsten genannt wurde, hatte für diese Hypothese zwar nur ein ungehaltenes Stirnrunzeln übrig, aber er konnte seine Leute nicht davon abhalten, während der Mahlzeiten ausgiebig über diese Möglichkeit zu diskutieren.
Doch das war alles nur eine Tarnung. Alana und ihr kleines Dreier-Team waren in Wahrheit aus einem ganz anderen Grund hier. Zwar hatten ihre Aktivitäten einen archäologischen Hintergrund, doch bestand ihre Mission weniger darin, die Vergangenheit aufzudecken, als die Zukunft zu retten.
Bisher allerdings lief es keineswegs gut. Sieben Wochen intensiver Suche hatten nichts erbracht, und sie und die anderen gelangten allmählich zu der Überzeugung, dass ihre Bemühungen umsonst waren.
Sie konnte sich entsinnen, wie begeistert sie von dem Projekt gewesen war, als Christie Valero vom Außenministerium es ihr vorgestellt hatte, doch nun hatte die Wüste schon längst auch den letzten Rest ihres Enthusiasmus verdorren lassen.
Mit ihren ein Meter sechzig Körpergröße wurde Alana Shepard oft für eine ihrer studentischen Hilfskräfte gehalten, obwohl sie in einem Jahr bereits ihren vierzigsten Geburtstag feiern sollte. Sie war zweimal geschieden – die erste Ehe war ein großer Fehler gewesen, den sie gemacht hatte, als sie achtzehn Jahre alt gewesen war, und die zweite hatte einen noch größeren Fehler bedeutet, der ihr Ende zwanzig unterlaufen war – und besaß einen Sohn, Josh, der immer bei ihrer Mutter wohnte, wenn sich Alana an irgendwelchen Ausgrabungsprojekten beteiligte.
Weil kurzes Haar in der Wüste leichter zu pflegen war, hatte sie die Locken über ihrer Stirn so weit wie möglich abschneiden lassen, während ihre Haarpracht hinten kaum bis zum Nacken reichte. Sie war zwar nicht das, was man als eine ausgesprochene Schönheit bezeichnen würde, aber Alana war doch so zierlich, dass man sie allgemein als süß betrachtete – eine Beschreibung, die sie zu hassen vorgab, die ihr insgeheim jedoch durchaus gefiel. Sie hatte an der Universität von Arizona in Geologie und in Archäologie promoviert, was sie für den Job geradezu prädestinierte. Aber kein Diplom, das an den Wänden ihres Büros in Phoenix hing, würde ihr dabei helfen, etwas zu finden, das offenbar gar nicht existierte.
Sie und ihr Team hatten das ausgetrocknete Flussbett landeinwärts meilenweit abgesucht, ohne irgendetwas Auffälliges zu entdecken. Die Sandsteinschlucht, die der Fluss vor Millionen Jahren geschaffen hatte, war so gleichförmig wie der Korridor eines Bürogebäudes – bis zu der Stelle, wo sich ein Wasserfall befunden haben musste.
Die Suche noch weiter flussaufwärts fortzusetzen war unnötig gewesen. Als der Fluss vor zweihundert Jahren noch Wasser führte, dürfte der Wasserfall ein unüberwindbares Hindernis gewesen sein.
Der Lärm eines Gesteinsbohrers riss Alana aus ihren Überlegungen. Die Bohrlafette war auf der Ladefläche eines Lastwagens montiert und in eine horizontale Position geneigt worden, so dass der Bohrkopf in die nahezu senkrechte Seitenwand der Schlucht eindringen konnte. Die mit Diamanten bewehrte Bohrerspitze fraß sich mit Leichtigkeit durch den mürben Sandstein. Mike Duncan, ein Geologe aus Texas, der über reiche Erfahrung als Ölsucher verfügte, bediente die Kontrollen der Bohrlafette von der hinteren Kante der Ladefläche aus. Mit dem Gesteinsbohrer rückten sie alten Erdrutschen zu Leibe, um sich zu vergewissern, ob sich irgendwelche Kavernen oder gar Höhlen in ihnen befanden. Nach mehr als einhundert solcher Löcher hatten sie jedoch nicht mehr vorzuweisen als ein halbes Dutzend abgenutzter Bohrerspitzen.
Sie verfolgte die Arbeiten mehrere Minuten lang und wischte sich dabei den Schweiß vom Hals. Als gut zehn Meter
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