Kaperfahrt
ungefähr die nettesten Menschen der Welt seien.«
»Die Menschen ja, die Regierung aber nicht unbedingt.« Alana trank einen Schluck Wasser aus ihrer Feldflasche. Es war so lauwarm, als käme es aus einer Badewanne. »Auch wenn sie als Gastgeber der Friedenskonferenz auftreten, kann ich nicht erkennen, dass sie ihre Haltung grundlegend geändert haben.« Sie sah Greg Chaffee an und fragte herausfordernd: »Ist die CIA nicht der Auffassung, dass sie früher Suleiman Al-Jama Unterschlupf gewährt haben, diesem Terroristen, der sich den Namen des Piraten ausgeliehen hat, nach dessen Spuren wir hier suchen?«
Er schnappte nicht nach dem Köder. »Ich habe nur in der Zeitung gelesen, dass Al-Jama versucht hat, ins Land einzureisen, ihm dies jedoch nicht erlaubt wurde.«
»Wir kriechen seit Wochen ergebnislos in diesem Flussbett herum. Hier gibt es aber nichts – gar nichts«, stellte Mike ungehalten fest. »Diese Mission ist doch die reinste Zeitverschwendung.«
»Die Leute, die in die Sache eingeweiht sind, sehen das anscheinend anders«, erwiderte Alana, machte jedoch aus ihren Zweifeln auch keinen Hehl.
Sie kehrte in Gedanken zu ihrem Treffen mit Christie Valero in Washington zurück. Im Foggy-Bottom-Büro von Unterstaatssekretärin Valero war auch eine der imposantesten männlichen Erscheinungen zugegen gewesen, die Alana jemals gesehen hatte. Sie hatte den unvergesslichen Namen St. Julian Perlmutter und erinnerte sie an Sidney Greenstreet, jedoch mit einem signifikanten Unterschied: Während den alten Schauspieler immer eine düstere Aura umgab, war Perlmutter das Paradebeispiel des stets fröhlichen Dicken. Seine Augen erstrahlten mindestens ebenso hellblau, wie Alanas grün leuchteten. Valero war eine sportliche hübsche Blondine und ein paar Jahre älter als Alana. Die Wände ihres Büros waren mit Fotografien von den Orten bedeckt, an denen man sie im Laufe ihrer zwanzigjährigen Karriere eingesetzt hatte. Sie befanden sich ausnahmslos im Nahen Osten.
Sie hatte sich hinter ihrem Schreibtisch erhoben, als Alana in ihr Zimmer geleitet wurde, doch Perlmutter hatte seinen Platz auf dem Sofa nicht verlassen und ihr die Hand im Sitzen geschüttelt.
»Vielen Dank, dass Sie dem Treffen mit uns zugestimmt haben«, sagte Christie.
»Es geschieht nicht jeden Tag, dass ich die Gelegenheit bekomme, eine Unterstaatssekretärin persönlich kennen zu lernen.«
»Die gibt es in dieser Stadt doch wie Sand am Meer«, meinte Perlmutter kichernd. »Mach bei einer Party das Licht an und sie suchen wie Kakerlaken das Weite.«
»Noch so ein fauler Witz«, sagte Christie, »und ich sorge dafür, dass du auf kein Botschaftsbankett mehr eingeladen wirst.«
»Das war ein Schlag unter die Gürtellinie«, erwiderte St. Julian schnell und lachte dann. »Genau genommen ging der Schlag sogar genau auf die Gürtellinie.«
»Dr. Shepard …«
»Alana, bitte.«
»Alana, wir haben hier ein besonders interessantes Problem, das nur jemand mit Ihren Kenntnissen lösen kann. Vor ein paar Wochen stieß St. Julian auf den Brief eines Admirals namens Charles Steward. Er wurde irgendwann um 1820 herum geschrieben und enthält die unglaubliche Geschichte vom Überleben eines Seemanns, der während der Barbareskenkriege von 1803 verschollen ist. Sein Name lautet Henry Lafayette.«
Christie Valero schilderte Lafayettes Rolle bei der Mission, die Philadelphia zu vernichten, und berichtete weiter, dass man angenommen hatte, er sei während des darauffolgenden Angriffs auf die Saqr ertrunken. An dieser Stelle ergriff St. Julian das Wort.
»Lafayette und Suleiman Al-Jama erreichten tatsächlich die Küste, und Henry holte die Pistolenkugel mit bloßen Händen aus der Schusswunde und desinfizierte diese mit Salzkristallen, die er von den Uferfelsen abkratzte. Der Piratenkapitän befand sich drei Tage lang im Delirium, doch dann sank das Wundfieber, und er erholte sich vollständig. Zu ihrem Glück schaffte es Henry, Regenwasser aufzufangen, so dass sie genug zu trinken hatten, und er erwies sich auch als besonders geschickt bei der Suche nach Nahrung, die er in ausreichender Menge am Meeresufer fand.
Nun ist es wichtig zu wissen, dass Al-Jama sein Piratenhandwerk keineswegs aus Habgier betrieb. Seine Triebfeder war ausschließlich sein Hass auf alle Ungläubigen. Der Mann muss demnach so etwas wie der Bin Laden seiner Zeit gewesen sein.«
»Hat Suleiman Al-Jama daher seinen Namen?«, fragte Alana und spielte auf den zurzeit aktiven Terroristen
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