Kaperfahrt
Grenzen, die sie niemals überschritten. Wahllos auf Zivilisten zu schießen war etwas, das er nicht zulassen würde. Die Kerle auszuschalten, die mit Kalaschnikows bewaffnet waren, würde Juans Gewissen zwar nicht allzu sehr belasten, aber zu der Menschenmenge auf dem Frachter gehörten auch Frauen und Kinder.
Eric Stone kam durch einen Hintereingang ins Operationszentrum gestürmt. Er war immer noch als Duane Maryweather ausstaffiert. »Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe. Es scheint, als wäre der Gegner zahlreicher, als wir erwartet haben.«
Er nahm seinen Platz im Sessel des Navigators ein und boxte zur Begrüßung gegen Murphs ausgestreckte Faust. Die beiden waren eng befreundet. Stone war trotz seiner vier Jahre Studium in Annapolis und einer sechs Jahre währenden Tätigkeit in der Navy immer noch ein schüchterner, gelehrter Hochschulfreak. Bekleidet war er vorwiegend mit Chinos und Hemden mit Button-down-Kragen. Dazu trug er lieber eine Brille, als sich mit Kontaktlinsen herumzuschlagen.
Murph hingegen kultivierte das Image des ungebundenen Surftramps, was jedoch nicht allzu überzeugend wirkte. Ebenfalls ein amtlich beglaubigtes Genie, hatte er als Waffenkonstrukteur für das Militär gearbeitet und im Zuge dieser Tätigkeit Eric kennen gelernt. Beide waren Ende zwanzig. Mark bevorzugte schwarze Kleidung, und seine Frisur war eine dichte, gewöhnlich ungeordnete und ungebändigte dunkle Haarmähne. Seit mittlerweile zwei Monaten versuchte er, sich einen Bart wachsen zu lassen, machte dabei aber keine nennenswerten Fortschritte.
In vieler Hinsicht völlig gegensätzlich, bildeten sie trotzdem eins der besten Teams des Schiffes und erkannten Cabrillos Absichten immer schon so frühzeitig, als läsen sie seine Gedanken.
»Aktiviert die …«, setzte Cabrillo an.
»… Wasserkanonen«, beendete Murph den Satz. »Schon dabei.«
»Aber nicht auslösen, ehe ich den Befehl dazu gebe.«
»Verstanden.«
Juan blickte zu Linda Ross hinüber. Sie war für die praktische Durchführung der jeweiligen Operationen der Corporation zuständig. Auch sie war eine ehemalige Angehörige der Navy, hatte eine Zeit lang auf einem Kreuzer der Aegis-Klasse gedient und war danach ins Assistententeam der Joint Chiefs aufgenommen worden. Damit war sie sowohl eine Expertin für Kampfeinsätze als auch für die Wahrnehmung von Stabsaufgaben prädestiniert. Sie hatte ein feenhaftes Gesicht mit hellen, mandelförmigen Augen und vereinzelten Sommersprossen auf Wangen und Nase. Ihr Haar, dessen Farbe regelmäßig wechselte, war zurzeit erdbeerrot und auf eine Weise frisiert, die sie mit Anspielung auf die Spice Girls Posh nannte. Außerdem hatte sie eine hohe, fast mädchenhafte Stimme, die nicht unbedingt das geeignete Organ war, um damit Kampfbefehle zu erteilen. Aber sie stand, was ihre Führungsqualitäten betraf, ihren Schiffskameraden in keiner Weise nach.
»Linda«, sagte Cabrillo, »ich möchte, dass du Didi im Auge behältst. Verfolge ihn mit den internen Kameras und gib mir Bescheid, sobald er den Laderaum betritt.«
»Wird gemacht.«
»Giuseppe, bist du bereit zu bestätigen, dass Didi dieses Schiff aus freiem Willen betreten hat?«
»Er gehört dir.«
Juan schaltete wieder das Mikrofon ein. »Eddie, Linc, wir treffen uns unten im Zauberladen, und zwar sofort.«
Juan steckte sich ein Walkie-Talkie in die Tasche und stülpte sich Kopfhörer über die Ohren, um mit dem Kommunikationsnetz in Verbindung zu bleiben. Ehe er den Raum im Laufschritt verließ, rief er über die Schulter Hali Kasim zu, er solle ihn mit Kevin Nixon, dem Chef-Magier des Zauberladens verbinden. Während er die mit Teakholz getäfelten Treppenabgänge benutzte, anstatt auf einen der Fahrstühle zu warten, erklärte Cabrillo dem früher in Hollywood tätig gewesenen Schminkkünstler, was er sich ausgedacht hatte. Danach meldete er sich bei Max Hanley und gab ihm seine Anweisungen. Max quittierte Juans Wünsche mit einem missbilligenden Brummeln, da er genau wusste, dass ihre Ausführung dem Wartungstechniker später einige Kopfschmerzen bereiten würde. Dennoch musste er zugeben, dass Juans Idee einiges für sich hatte.
Cabrillo erreichte den Zauberladen kurz nach Eddie und Linc. Der Raum sah wie eine Kreuzung aus Frisiersalon und Theaterfundus aus. Eine Wand wurde von einem langen Schminktisch mitsamt einem ebenso langen Spiegel beherrscht, während der restliche Raum von Kleiderständern, allerlei Gerätschaften zur Erzeugung von
Weitere Kostenlose Bücher