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Kapitaen Bykow

Kapitaen Bykow

Titel: Kapitaen Bykow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki
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unverständlich, was vorging. Nach einer Meteoritenattacke sah es nicht aus, nach irgendeinem Zusammenstoß erst recht nicht. Mischka Uschakow hatte gesagt, die Gefahr im Kosmos sei wie ein Degenstich, an dem man entweder sofort oder überhaupt nicht stirbt ... Derselbe Mischka Uschakow, der nur während des Schweißerpraktikums im Raum gewesen war und selbst über den Kosmos in den Begriffen von Musketierromanen urteilte.
    Jura bekam einen Wadenkrampf, und er wechselte das Standbein. Den Korridor entlang brannten die roten Lampen. Jura versuchte sich zu besinnen, woran ihn das erinnerte, und vermochte es nicht; es war aber eine unangenehme Erinnerung, dessen war er gewiss. Wenn wenigstens jemand käme, dachte er. Man könnte fragen, was passiert ist, was man zu erwarten hat ... Er blickte zur Ruftaste. Sich einfach direkt an Bykow wenden: ›Genosse Kapitän, ich bitte, mir die Aufgabe zu erläutern ...‹ Dann stellte sich Jura plötzlich vor, wie viele Praktikanten hier gestanden hatten, schwitzend vor Erregung, ein Bein gegen den Türrahmen gestemmt; sie waren schrecklich aufgeregt gewesen, hatten versucht herauszufinden, was vorging, und immerzu abgeschätzt: ›Schaffe ich es, den Helm aufzusetzen, oder schaffe ich es nicht?‹ Es waren prima Kerle gewesen, mit denen sich bestens Boq-ap-stag spielen oder die Zunge über den Sinn des Lebens wetzen ließ. Jetzt waren sie alle schon erfahren und klug, jetzt saßen sie alle in Steuerzentralen, und ihre Schiffe flogen durch den Raum ... auch manchmal mit Stößen und Erschütterungen ... Aus all diesen Gedanken erstand plötzlich und zusammenhanglos ein Bild: das von Schweiß und Blut überströmte Gesicht Bykows, wie er voller rein menschlicher, verständlicher Verzweiflung mit starrem Blick etwas fixiert, das nicht mehr zu berücksichtigen war und das jetzt unerbittlich näher kommt ...
    Vor Juras Augen verschwamm alles, er verlor das Gleichgewicht und fand sich am Boden wieder. Unter der niedrigen Decke begann es zu scheppern, zu poltern. Eilig mit den Schuhen über den Metallboden schurrend, drehte sich Jura auf den Bauch, stand auf und stürzte zur Tür. Er nahm die alte Pose ein und stemmte sich aus ganzer Kraft zwischen die Türpfosten.
    Die Tachmasib vibrierte jetzt ununterbrochen, als hätte auch sie Angst. Jura spannte sich aufs Äußerste an und versuchte, nicht zu zittern. Wenn doch wenigstens jemand käme, wenn man wüsste, was los ist, wenn Bykow irgendetwas befehlen würde ... Mutter wird schrecklich trauern – was werden sie ihr sagen? Wer wird sich finden, es ihr zu sagen? Sie kann ja drüber sterben, sie ist vor kurzem operiert worden, ihr Herz taugt gar nichts mehr, man darf es ihr nicht sagen ... Jura biss sich auf die Lippe und presste die Zähne zusammen. Es tat weh, aber das Zittern verging nicht. Also wirklich, was ist denn ... Nein, er musste unverzüglich hingehen und nachschauen. Den Kopf in die Zentrale stecken, lässig hinwerfen: ›Dauert’s noch lange?‹ – und wieder gehen ... Aber womöglich hatte es sie alle schon erwischt? Jura schaute voller Schrecken in den Korridor, als werde jeden Moment Shilin um die Biegung gekrochen kommen, ihn mit erlöschenden Augen ansehen und den Kopf auf die klammen Arme fallen lassen ...
    Jura ließ den Fuß sinken, stieß sich vom Türpfosten ab und tat ein paar unsichere Schritte den Korridor entlang. Über den bebenden Boden, an den roten Lampen vorbei zum Lift, dem entgegen, der da gekrochen kam ... Er blieb stehen und kehrte zur Tür zurück. »Nur ruhig«, sagte er und räusperte sich, damit es nicht so gepresst klang. »Die Phantasie foppt einen gern, aber sie tut es bösartig und unfair. Man kann ihr nicht trauen, der Phantasie.« Er verschanzte sich wieder im Türrahmen. So ist das also, dachte er plötzlich. So ist das also – zu warten und immer in Bereitschaft zu sein, in Pantoffeln und gestreiften Socken, mit einer Zeitung vom letzten Jahr, damit niemand etwas merkt und sonst was denkt ... Nichts sicher zu wissen und immer in Bereitschaft zu sein ...
    Die Vibration wurde stärker, dann schwächer und wieder stärker. Jura stellte sich die Tachmasib vor, eine kilometerlange Konstruktion aus Titanlegierung, in der Form ähnlich einem riesigen Pokal. Jetzt liefen über den Rumpf des Schiffes, vom Laderaum bis zum Rand des Reflektors, Wellen krampfartiger Vibrationen. Bald nahmen sie an Stärke zu, bald ab ... Man brauchte nicht übermäßig sensibel zu sein, um zu begreifen, was Sache

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