Kapitän Singleton
hereinströmenden Wasser des großen Ozeans waren, der sich östlich von Neuguinea erstreckte; aber, wie gesagt, wir segelten raumschots und kamen rasch voran, als plötzlich aus einer dunklen Wolke, die über unseren Köpfen hing, ein Blitzstrahl oder eher -schlag herabkam, der so furchtbar war und so lange zwischen uns herumzuckte, daß nicht nur ich, sondern die ganze Mannschaft glaubte, unser Schiff brenne. Wir spürten die Hitze von diesem Blitz oder Feuer so heftig im Gesicht, daß sich bei einigen unserer Leute Blasen auf der Haut bildeten, vielleicht nicht unmittelbar durch die Hitze, aber infolge der giftigen oder schädlichen Teilchen, die sich mit der brennenden Materie mischten. Das war jedoch noch nicht alles: Der durch den Bruch der Wolken verursachte Luftstoß war so stark, daß unser Schiff erbebte, als hätten wir eine Breitseite abgefeuert, und fast im gleichen Moment wurde seine Fahrt von einer Kraft aufgehalten, die stärker war als die, welche es zuvor vorangetrieben hatte; sämtliche Segel schlugen unverzüglich zurück, und das Schiff lag, so kann man buchstäblich sagen, wie vom Donner gerührt. Da der Blitz aus der Wolke so nahe bei uns herunterfuhr, folgte nach nur einigen Augenblikken der furchtbarste Donnerschlag, den Sterbliche je verno mmen haben. Ich glaube sicher, daß eine Explosion von hunderttausend Fässern Schießpulver uns nicht lauter in den Ohren gedröhnt hätte, ja einige unserer Leute verloren tatsächlich das Gehör.
Ich kann unmöglich die Schrecklichkeit dieser Minute beschreiben, und niemand vermag sie sich vorzustellen. Unsere Leute waren dermaßen bestürzt, daß nicht ein Mann an Bord so geistesgegenwärtig war, seine seemännischen Pflichten wahrzunehmen, außer Freund William, und wäre er nicht sehr flink und mit einer Selbstbeherrschung, deren ich keineswegs fähig gewesen wäre, nach vorn gerannt, um das Fockschot loszuwerfen, die Fockrah auf der Luvseite beizubrassen und die Marssegel niederzuholen, dann wären unsere Masten gewiß sämtlich über Bord gegangen, und vielleicht hätte uns die See überwältigt.
Was mich betrifft, so muß ich gestehen, daß ich mir der Gefahr deutlich bewußt war, aber nicht im mindesten dessen, was ich dagegen tun sollte. Die Bestürzung und Verwirrung hatten mich völlig übermannt, und ich kann sagen, daß ich hier zum erstenmal beim Gedanken an mein vergangenes Leben jenes Entsetzen spürte, das ich seither noch so viel gründlicher kennengelernt habe. Ich glaubte, der Himmel hätte mich dazu verdammt, noch im selben Augenblick ins ewige Verderben zu versinken, und was die Rache noch schrecklicher machte, war, daß sie sich nicht auf dem üblichen Wege eines menschlichen Gerichts vollzog, sondern daß Gott unmittelbar über mich verfügte und beschlossen hatte, selbst der Vollstrecker seines Urteils zu sein.
Mögen nur die mein Entsetzen beschreiben, die um das Schicksal (John) Childs, Shadwells oder des Francis Spira wissen. Es läßt sich unmöglich schildern. Meine ganze Seele war von Verblüffung und Bestürzung erfüllt. Ich dachte, ich sänke in die Ewigkeit hinab, erkannte die göttliche Gerechtigkeit meiner Strafe an, fühlte aber keines der bewegenden, lindernden Merkmale einer echten Reue; mich peinigte die Strafe, jedoch nicht das Verbrechen, ängstigte die Rache, aber erschreckte nicht die Schuld; ich fand noch ebensoviel Geschmack am Verbrechen, wenn mich auch der Gedanke an die Vergeltung, von der ich glaubte, ich müsse sie sogleich erleiden, zutiefst schaudern ließ.
Vielleicht aber werden viele meiner Leser zwar für den Donner und den Blitz Verständnis haben, von dem übrigen dagegen nicht viel halten oder vielmehr über all das spotten; deshalb will ich gegenwärtig nicht mehr darüber sagen, sondern mit der Geschichte der Reise fortfahren. Als der Schreck vorbei war und die Leute begannen, wieder zu sich zu kommen, riefen sie einander, jeder seinen Freund oder diejenigen, von denen er am meisten hielt, und es bereitete ihnen größte Befriedigung festzustellen, daß niemand verletzt war. Als nächstes kam die Frage, ob das Schiff nicht etwa Schaden erlitten hatte; der Bootsmann trat vor und stellte fest, daß ein Teil des Topps fehlte, aber nicht so viel, daß das Bugspriet in Gefahr war, und so setzten wir unsere Marssegel von neuem, holten die Fockschot wieder an, braßten die Rahen und hielten Kurs wie zuvor. Ich kann auch nicht leugnen, daß es uns allen ähnlich erging wie dem Fahrzeug: Nachdem
Weitere Kostenlose Bücher