Kapitän Singleton
erwiderte ich, „jetzt glaubst du, deine Einführung so überzeugend dargelegt zu haben, daß ich nichts darauf zu sagen wüßte – nämlich wenn ich genug Geld habe, sei es natürlich, daß ich daran dächte, nach Hause zurückzukehren. Du hast aber nicht erklärt, was du mit zu Hause meinst, und hierin werden wir beide verschiedener Ansicht sein. Aber Mann, ich bin doch schon zu Hause. Hier wohne ich, ein anderes Zuhause habe ich nie im Leben gehabt. Ich war so eine Art Wohlfahrtsschuljunge, so daß ich nicht den Wunsch empfinden kann, irgendwohin zu gehen, ob ich nun reich oder arm bin, denn ich weiß nicht, wohin ich gehen könnte.“
„Wieso“, fragte William und sah ein bißchen verwirrt aus, „bist du denn kein Engländer?“
„Doch“, antwortete ich, „ich glaube, ja. Du hörst ja, daß ich englisch spreche, aber ich habe England schon als Kind verlassen und bin, seitdem ich erwachsen bin, nur ein einziges Mal dort gewesen, und da hat man mich betrogen und geprellt und mich so schlecht behandelt, daß es mir nichts ausmacht, wenn ich das Land nie wiedersehe.“
„Ja, hast du denn dort keine Verwandten oder Freunde?“ fragte er, „keine Bekannten – niemanden, für den du etwas empfindest oder für den du noch ein wenig Achtung übrig hast?“
„Nein, William“, erwiderte ich, „das habe ich nicht – ebensowenig wie am Hof des Großmoguls.“
„Und empfindest du auch nichts für das Land, in dem du geboren wurdest?“ wollte William wissen.
„Nein, nichts – nicht mehr als für die Insel Madagaskar, oder vielmehr noch nicht einmal soviel, denn das ist eine Insel, die mir mehr als einmal Glück gebracht hat, wie du weißt, William“, sagte ich.
William war von meiner Antwort völlig verblüfft und schwieg, und so fuhr ich fort: „Sprich weiter, William, was hast du noch zu sagen? Denn ich höre ja, daß du irgendeinen Plan im Kopf hast“, sagte ich, „los, heraus damit.“
„Nein“, antwortete William, „du hast mich zum Schweigen gebracht, und alles, was ich zu sagen hatte, ist nun über den Haufen geworfen; alle meine Pläne haben sich verflüchtigt und sich in nichts aufgelöst.“
„Aber William“, sagte ich, „laß mich doch hören, worin sie bestanden, denn wenn auch das, was ich zu erwarten habe, nicht deinen Vorstellungen entspricht und obgleich ich keinen Verwandten, keinen Freund und keinen Bekannten in England habe, sage ich doch nicht, daß mir dieses unstete Leben des Herumkreuzens so gut gefällt, daß ich es nie mehr aufgeben möchte. Laß hören, ob du mir irgend etwas vorschlagen kannst, was darüber hinausgeht.“
„Gewiß, Freund“, sagte William sehr ernst, „es gibt etwas, was darüber hinausgeht.“ Er hob die Hände, schien sehr bewegt zu sein, und ich glaub te, Tränen in seinen Augen zu sehen; aber ich, der ich ein viel zu hartgesottener Kerl war, um mich von solchen Dingen rühren zu lassen, lachte ihn aus. „Was“, sagte ich, „ich wette, du meinst den Tod, nicht wahr? Der geht über dieses Gewerbe hinaus. Nun, wenn er kommt, dann kommt er eben, dann sind wir alle darauf gefaßt.“
„Freilich“, sagte William, „das stimmt, aber es wäre besser, man denkt an manche Dinge, bevor es soweit ist.“
„Daran denken!“ erwiderte ich. „Was bedeutet es schon, wenn man daran denkt? An den Tod zu denken heißt sterben, und wenn man immer an ihn denkt, stirbt man sein ganzes Leben lang. Man hat noch Zeit genug, daran zu denken, wenn er kommt.“
Der Leser wird ohne weiteres glauben, daß ich zu einem Piraten wohlgeeignet war, da ich so sprechen könnte. Aber er möge mir erlauben, es hier niederzuschreiben, damit andere hartgesottene Schurken, wie ich einer war, es sich merken: Mein Gewissen versetzte mir einen Stich, wie ich ihn noch nie zuvor verspürt hatte, als ich erklärte: „Was bedeutet es schon, wenn man daran denkt?“, und sagte mir, eines Tages würde ich mich betrübten Herzens an diese Worte erinnern, aber die Zeit der Überlegung war für mich noch nicht gekommen, und so sprach ich weiter.
Da sagte William sehr ernst: „Ich muß dir sagen, Freund, daß es mir leid tut, dich so reden zu hören. Diejenigen, die niemals an den Tod denken, sterben häufig, ohne daran zu denken.“
Ich fuhr noch eine Weile fort zu scherzen und sagte: „Ich bitte dich, sprich nicht vom Sterben. Woher wissen wir denn, daß wir überhaupt jemals sterben werden?“ Und ich begann zu lachen.
„Darauf brauche ich dir nicht zu antworten“, sagte William, „es
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