Kapitän Singleton
kommt mir nicht zu, dich zu tadeln, der du hier mein Befehlshaber bist, aber mir wäre es lieber, wenn du auf eine andere Weise über den Tod reden würdest – die hier ist sehr roh.“
„Sag zu mir, was du willst, William“, antwortete ich, „ich werde es wohlwollend aufnehmen.“ Mich begannen seine Äußerungen jetzt sehr zu bewegen.
Da sagte William (und die Tränen liefen ihm über die Wangen): „Gerade weil die Menschen leben, als müßten sie niemals sterben, sterben so viele, bevor sie gelernt haben zu leben. Ich meinte aber nicht den Tod, als ich sagte, es gebe etwas, an was man denken sollte, was über diese Art des Lebens hinausgeht.“
„Nun, William“, fragte ich, „und das wäre?“
„Die Reue“, erklärte er.
„Wieso“, sagte ich, „hast du schon jemals gehört, daß ein Seeräuber Reue empfunden habe?“
Das ließ ihn ein wenig auffahren, und er antwortete: „Am Galgen habe ich schon einmal einen kennengelernt, und ich hoffe, du wirst der zweite sein.“
Er sagte dies sehr liebevoll und offensichtlich sehr um mich besorgt.
„Nun, William, ich danke dir“, erwiderte ich, „und ich stehe diesen Dingen auch nicht so gefühllos gegenüber, wie ich mir den Anschein gebe. Aber vorwärts, laß mich deinen Vorschlag hören.“
„Mein Vorschlag soll dir ebenso zum Wohle gereichen wie mir“, sagte William. „Wir können mit dieser Art Leben Schluß machen und bereuen, und ich glaube, gerade jetzt bietet sich uns die beste Gelegenhe it dazu, die sich uns je geboten hat oder jemals bieten wird oder die es überhaupt nur geben kann.“
„Hör zu, William“, sagte ich, „laß mich zuerst einmal deinen Vorschlag erfahren, wie man unserer jetzigen Lebensweise ein Ende setzen kann, denn darum handelt es sich ja gegenwärtig; von dem anderen werden wir später reden. Ich bin nicht so gefühllos“, sagte ich, „wie du vielleicht von mir glaubst. Aber laß uns zuerst aus dieser teuflischen Lage herauskommen, in der wir gegenwärtig sind.“
„Gewiß“, erklärte William, „da hast du recht. Wir dürfen nicht von Reue sprechen, solange wir auch weiterhin Seeräuber sind.“
„Freilich, William“, entgegnete ich, „das meine ich ja, denn wenn wir uns nicht bessern müssen, abgesehen davon, daß uns das Geschehene leid tut, dann habe ich keine Ahnung, was Reue bedeutet; im besten Fall weiß ich tatsächlich nur wenig über die Sache, aber die Natur der Dinge selbst scheint mir zu sagen, daß der erste Schritt, den wir tun müssen, zu sein hat, diese elende Laufbahn aufzugeben, und da will ich von Herzen gern mit dir beginnen.“
Ich konnte William am Gesicht ansehen, daß ihn dieses Angebot außerordentlich freute, und wenn er zuvor Tränen in den Augen gehabt hatte, dann jetzt um so mehr, wenn auch durch ein ganz anderes Gefühl hervorgerufen, denn die Freude hatte ihn so überwältigt, daß er nicht zu sprechen vermochte.
„Sprich, William“, sagte ich, „du zeigst mir ganz deutlich, daß du eine ehrliche Absicht hast. Hältst du es für möglich, daß wir mit unserer unglückseligen Lebensweise hier Schluß machen und davonkommen können?“
„Ja“, antwortete er, „für mich halte ich es durchaus für möglich. Ob es das auch für dich ist, hängt von dir ab.“
„Also dann gebe ich Euch mein Wort“, sagte ich, „daß so, wie ich Euch die ganze Zeit über Befehle erteilt habe, vom ersten Augenblick an, seit ich Euch an Bord nahm, jetzt Ihr mir von dieser Stunde an Befehle erteilen sollt, und ich werde alles tun, was Ihr mir auftragt.“
„Willst du alles mir überlassen? Sagst du das ohne jede Einschränkung?“
„Ja, ohne jede Einschränkung, William“, erwiderte ich, „und ich will es gewissenhaft durchführen.“
„Nun dann“, sagte William, „mein Plan ist folgender: Wir befinden uns jetzt an der Mündung des Persischen Golfs. Wir haben hier in Surat soviel von unserer Ladung verkauft, daß wir Geld genug besitzen. Schick mich mit der Schaluppe nach Basra, nachdem wir sie mit den chinesischen Waren, die wir an Bord führen, beladen haben. Das macht wieder eine gute Fracht, und ich wette mit dir, daß es mir gelingt, bei den englischen und holländischen Kaufleuten dort eine Anzahl Waren und Geld unterzubringen, indem ich gleichfalls als Händler auftrete, so daß wir die Möglichkeit haben, bei Bedarf darauf zurückzukommen, und wenn ich wiederkehre, werden wir das übrige planen. In der Zwischenzeit bring du die Mannschaft zu dem Beschluß, nach Madagaskar auszulaufen,
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