Kapitän Singleton
sechs seiner Kanonen. Inzwischen befanden sich, dessen mag der Leser gewiß sein, alle unsere Leute auf ihrem Posten, und so legten wir unser Ruder hart nach Luv, ließen die Leebrassen des Großmarssegels laufen und legten es back; nun fielen wir dwars zur Klüse des portugiesischen Schiffs und gaben sogleich eine Breitseite ab, beschossen es vorn und achtern und töteten sehr viele Leute.
Die Portugiesen befanden sich, wie wir sehen konnten, in höchster Verwirrung und ließen, da sie unsere Absicht nicht durchschauten und ihr Schiff in voller Fahrt war, ihren Bugspriet in den vorderen Teil unserer Großwanten laufen; auf diese Weise vermochten sie nicht leicht von uns loszukommen, und wir lagen ineinander verhakt. Der Feind war nicht in der Lage, mehr als nur fünf, sechs Kanonen nebst den Handwaffen auf uns abzufeuern, während wir unsere ganze Breitseite auf ihn abgaben.
Mitten in der Hitze des Gefechts, während ich auf dem Achterdeck sehr beschäftigt war, rief mich der Kapitän, denn er rührte sich nicht von uns fort. „Was zum Teufel macht denn Freund William dort drüben?“ fragte er. „Hat er auf Deck etwas zu suchen?“ Ich trat vor, und dort stand Freund William und zurrte zusammen mit zwei, drei kräftigen Burschen das Bugspriet des Kriegsschiffs an unserem Großmast fest, aus Furcht, daß es sich von uns losmachen könnte; hin und wieder zog er eine Flasche aus der Tasche und gab den Leuten einen Schluck zu trinken, um sie zu ermutigen. Die Geschosse flogen ihm so dicht um die Ohren, wie es bei einem solchen Gefecht zu erwarten war, in dem die Portugiesen, das muß ich ihnen lassen, sehr feurig kämpften, wobei sie zuerst glaubten, ihrer Beute sicher zu sein, und sich auf ihre Überlegenheit verließen; aber William stand im Anb lick der Gefahr so ruhig und völlig gelassen dort, als sitze er über einer Punschterrine, und war nur eifrig beschäftigt, dafür zu sorgen, daß ein Schiff mit sechsundvierzig Kanonen einem mit achtundzwanzig nicht entfliehen konnte.
Das Gefecht war zu heftig, um lange anzudauern; unsere Leute verhielten sich tapfer, und unser Geschützmeister, ein mutiger Mensch, ließ unter Deck Rufe hören und verschoß seine Kugeln in so rascher Folge, daß das Feuer der Portugiesen nachzulassen begann, denn wir hatten einige ihrer Kanonen dadurch, daß wir ihr Vorschiff beschossen und sie, wie gesagt, vorn und achtern mit einem Kugelhagel bedachten, untauglich gemacht. Nach einer Weile kam William zu mir. „Freund“, sagte er ganz ruhig, „was meinst du? Weshalb besuchst du deinen Nachbarn nicht auf seinem Schiff, wo dir doch die Tür weit offensteht?“ Ich wußte sogleich, was er meinte, denn unsere Kanonen hatten den Schiffsrumpf des Portugiesen so weit aufgerissen, daß wir zwei Bullaugen zu einem geschlagen hatten, und ihr Heckscho tt war in Stücke zersplittert, so daß sie sich achtern nicht verschanzen konnten, und darum gab ich unverzüglich Befehl zum Entern. Unser Zweiter Offizier ging mit ungefähr dreißig Mann sogleich über das Vorschiff an Bord des Portugiesen; ihm folgten einige weitere mit dem Bootsmann. Sie hieben etwa fünfundzwanzig Mann, die sie dort auf Deck antrafen, in Stücke, warfen dann einige Granaten in den hinteren Teil des Schiffs und drangen auch da ein, worauf die Portugiesen alsbald um Gnade baten. Wir waren nun Herren des Schiffs, entgegen unseren eigenen Erwartungen, denn wir hätten uns mit ihnen geeinigt, wenn sie abgedreht hätten, aber da wir uns zuerst dwars vor ihre Klüse gelegt und sie darauf heftig beschossen hatten, ohne ihnen Zeit zu geben, von uns freizukommen und mit ihrem Schiff zu manövrieren, waren sie nicht in der Lage, mit mehr als fünf oder sechs Kanonen zu schießen, obgleich sie, wie schon berichtet, sechsundvierzig besaßen, denn wir schlugen sie sogleich von ihren Geschützen im Vorschiff zurück und töteten viele ihrer Leute, die sich unter Deck befanden, so daß sie kaum genug Männer aufbringen konnten, um auf Deck im Handgemenge mit uns zu kämpfen, nachdem wir ihr Schiff geentert hatten.
Die freudige Überraschung, die Portugiesen um Gnade bitten zu hören und zu sehen, daß sie ihre Flagge strichen, war für unseren Kapitän, der, wie ich schon berichtete, durch sein hohes Fieber sehr geschwächt war, so groß, daß es ihn neu belebte. Die Natur besiegte die Krankheit, und das Fieber ging noch in der Nacht zurück, so daß er sich nach zwei, drei Tagen merklich besser fühlte; seine Kraft begann
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