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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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große Beute machte, als er eine Dame gefangennahm, von der es hieß, sie sei die Tochter des Großmoguls, und die eine riesige Menge Juwelen mit sich führte, folgende Geschichte: er hätte ein Mogulschiff, so nannten es die unwissenden Seeleute, das mit Diamanten beladen war, erbeutet.
    Mir wäre lieb gewesen, Freund Williams Rat darüber, wohin wir segeln sollten, zu hören, aber er wich stets mit irgendeiner Quäkerspitzfindigkeit aus. Kurz, er hatte keine Lust, uns irgendwohin zu lenken; ob er sich nun ein Gewissen daraus machte oder ob er nicht Gefahr laufen wollte, daß man es ihm später vorhielte, weiß ich nicht. Zuletzt aber faßten wir unseren Entschluß ohne ihn. Wir brauchten jedoch ziemlich viel Zeit dazu, und es gelüstete uns eine ganze Weile nach dem Rio de la Plata. Schließlich sichteten wir luvwärts ein Segel, und zwar eins, wie es, so glaubte ich, in diesen Breiten schon lange nicht mehr aufgetaucht war. Ich wollte nicht, daß wir Jagd darauf machten, denn es hielt gerade auf uns zu, so gut wie die Leute, die es steuerten, das fertigbrachten, und selbst dies war eher ein Zufall des Wetters als sonst irgend etwas, denn wenn der Wind umgesprungen wäre, dann hätte das Schiff mit ihm laufen müssen. Ich überlasse es jedem, der Seemann ist oder auch nur das Geringste von Schiffen versteht, zu beurteilen, welches Bild dieses Fahrzeug bot, als wir es zuerst zu Gesicht bekamen, und welche Vorstellung wir wohl von dem hatten, was darauf geschehen sein mochte. Die Großmarsstenge war etwa sechs Fuß über dem Spill über Bord heruntergekommen und vornüber gefallen, und die Spitze der Bramstenge hing beim Stag in den Fockwanten; gleichzeitig hatte das Rack der Kreuzmarsrah durch irgendein Ereignis nachgegeben, und die Kreuzmarsbrassen (deren stehendes Gut an den Wanten des Großmarssegels festhing) hatten das Kreuzmarssegel mitsamt der Rah mit sich heruntergerissen, und es breitete sich wie ein Sonnendeck über einen Teil des Achterdecks; das Vormarssegel war auf zwei Drittel des Mastes gesetzt, die Schoten waren jedoch nicht belegt. Die Fockrah war auf das Vorderdeck gefiert, die Segel lose, und sie hingen zum Teil über Bord. Auf diese Weise näherte sich uns das Schiff mit einer Backstagsbrise. Mit einem Wort, der Eindruck, den das ganze Schiff machte, war für Leute, die etwas von der Seefahrt verstehen, so bestürzend wie nur möglich. Es führte kein Boot mit sich und hatte auch keine Flagge gehißt.
    Als wir in seine Nähe kamen, feuerten wir eine Kanone ab, um es zum Beidrehen zu veranlassen. Es nahm davon keine Notiz, und auch nicht von uns, sondern lief weiter wie zuvor auf uns zu. Wir gaben von neuem Feuer, aber wieder ohne Erfolg. Endlich gelangten wir in Pistolenschußweite voneina nder, aber niemand antwortete, und niemand erschien; so begannen wir zu glauben, es sei ein in Seenot geratenes Schiff, das irgendwo gelandet und dann von seiner Mannschaft verlassen worden sei; später habe die Flut es dann wieder flottgemacht und aufs Meer hinausgeschwemmt. Als wir näher heran gelangten, liefen wir in solcher Nähe längsschiffs, daß wir im Innern des Fahrzeugs ein Geräusch hören und durch die Bullaugen sehen konnten, daß sich mehrere Menschen darin bewegten.
    Daraufhin bemannten wir zwei Boote mit gutbewaffneten Leuten und befahlen ihnen, möglichst gleichzeitig an Bord des Schiffs zu gehen, wobei die vom ersten Boot auf der einen Seite bei der vorderen Ankerkette und die vom zweiten mittschiffs auf der anderen Seite entern sollten.
    Sobald sie an die Bordwand gelangten, erschienen auf Deck überraschend viele schwarze Matrosen, wenn man sie so nennen kann, und jagten unseren Leuten, mit einem Wort, einen solchen Schrecken ein, daß das Boot, dessen Insassen mittschiffs an Bord gehen sollten, wieder ablegte und sie nicht wagten, das Schiff zu entern, während diejenigen, die vom anderen Boot aus an Bord gingen und feststellten, daß das erste Boot, wie sie glaubten, abgewehrt und das Schiff voller Menschen war, alle in ihr Fahrzeug zurücksprangen und ablegten, da sie nicht wußten, was geschehen war. Nun machten wir uns bereit, eine Breitseite auf das Schiff abzugeben; unser Freund William aber belehrte uns auch hier wieder eines Besseren, denn anscheinend erriet er früher als wir, was geschehen war. Er kam zu mir (unser Schiff war es nämlich, das sich dem anderen genähert hatte) und sagte: „Freund, ich bin der Meinung, daß du in dieser Sache unrecht hast, und auch deine Leute

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