Kapitän Singleton
fort waren.
Nachdem wir das verstanden hatten, waren wir fest davon überzeugt, daß die Schiffsmannschaft, nachdem diese verzwe ifelten Schurken sie überrascht hatten, den gleichen Weg gegangen war und sie sie ebenfalls über Bord geworfen hatten. Wir sahen auf dem ganzen Schiff nach, ob wir irgendwo Blut finden konnten, und glaubten es an mehreren Stellen zu entdecken, aber die heiße Sonne, die Pech und Teer auf Deck zum Schmelzen brachte, hinderte uns daran, es mit Gewißheit festzustellen, außer in er Hütte, wo wir deutlich sehen konnten, daß dort viel Blut geflossen war. Wir fanden die Luke geöffnet und nahmen an, daß der Kapitän und die Leute, die sich bei ihm befunden hatten, auf diesem Weg den Rückzug in die Kajüte angetreten hatten oder aber durch die Kajüte in die Hütte entkommen waren.
Am meisten jedoch überzeugte uns von dem, was geschehen war, die Tatsache, daß wir bei näherer Nachfrage sieben oder acht Schwerverwundete unter den Negern feststellten; zwei oder drei von ihnen hatten Schußwunden, darunter einer, der mit gebrochenem Bein in elendem Zustand dalag, denn das Fleisch war brandig geworden, und er wäre, wie unser Freund William sagte, nach weiteren zwei Tagen gestorben. William war ein äußerst geschickter Wundarzt, und er bewies es durch seine Heilung, denn obgleich sämtliche Ärzte, die wir auf unseren beiden Schiffen an Bord hatten (und es waren nicht weniger als fünf, die sich ausgebildete Ärzte nannten, neben zwei oder drei Scharlatanen oder Gehilfen), obgleich also alle die Meinung äußerten, das Bein des Negers müsse amputiert werden, sonst könne man ihm nicht das Leben retten, denn der Brand habe sich schon bis zum Knochenmark durchgefressen, die Sehnen seien brandig, und falls sein Bein doch heilte, werde er es nie mehr gebrauchen können, sagte William nichts Allgemeines, nur, er sei anderer Meinung und wünsche die Wunde zu öffnen, dann wolle er ihnen mehr sagen. Dementsprechend machte er sich bei dem Bein an die Arbeit, und da er darum gebeten hatte, daß ihm ein paar der Ärzte assistierten, bestimmten wir die beiden Fähigsten dazu, ihm zu helfen, und überließen es allen zuzusehen, wenn es ihnen beliebte.
William ging auf seine eigene Weise ans Werk, und einige der anderen maßten sich zuerst an, sie fehlerhaft zu finden. Er fuhr jedoch damit fort und schnitt jede Stelle des Beins auf, von der er vermutete, der Wundbrand habe sie erfaßt; mit einem Wort, er schnitt eine Menge brandiges Fleisch heraus, und bei all dem empfand der arme Kerl keinerlei Schmerz. William fuhr fort, bis er die durchschnittenen Adern zum Bluten und den Mann zum Schreien gebracht hatte; dann fügte er die Knochensplitter aneinander, forderte Hilfe und schiente den Bruch, wie wir sagen, verband das Bein und bettete den Mann, der sich viel besser fühlte als zuvor, zur Ruhe.
Als der Verband zum erstenmal geöffnet wurde, begannen die Ärzte zu triumphieren; der Wundbrand schien sich auszubreiten, ein langer roter Blutstreifen zeigte sich von der Wunde aufwärts bis zur Mitte des Schenkels, und die Arzte erklärten mir, der Mann werde innerhalb weniger Stunden sterben. Ich ging zu ihm, um es mir anzusehen, und fand William selbst einigermaßen überrascht; als ich ihn aber fragte, wie lange der arme Kerl wohl seiner Meinung nach am Leben bleiben könne, blickte er mich ernst an und sagte: „So lange, wie du es kannst; ich fürchte durchaus nicht für sein Leben, aber ich würde ihn gern heilen, wenn ich könnte, ohne ihn zum Krüppel zu machen.“ Ich sah, daß er in diesem Augenblick nicht damit beschäftigt war, das Bein zu operieren, sondern etwas zu mischen, was er dem armen Menschen eingab, um, wie ich dachte, die sich ausbreitende Vergiftung zu bekämpfen und das Fieber, das möglicherweise im Blut aufstieg, zu dämpfen oder zu verhindern. Danach machte er sich wieder ans Werk und schnitt das Bein an zwei Stellen oberhalb der Wunde auf, entfernte eine Menge brandiges Fleisch, das anscheinend von der Binde verursacht wurde, die an diesen Punkten zu fest gedrückt hatte, und da das Blut zu der Zeit mehr als gewöhnlich zum Wundbrand neigte, mochte es dazu beitragen, daß er sich ausbreitete.
Nun, unser Freund William überwand all das, besiegte den um sich greifenden Wundbrand, und der rote Streifen verschwand wieder, das Fleisch begann zu heilen und der Eiter zu fließen; nach ein paar Tagen faßte der Mann wieder Mut, sein Puls schlug regelmäßig, er hatte kein Fieber
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