Kapitän Singleton
vergingen, bis die Schaluppe zu uns zurückkehrte und Kapitän Avery mitbrachte, und so sah nun die gesamte Macht aus, die, soweit ich mich erinnere, Kapitän Avery jemals bei sich hatte, denn jetzt taten wir uns alle zusammen, und es stand folgendermaßen:
Wir hatten zwei Schiffe und eine Schaluppe mit dreihundert-zwanzig Mann, was jedoch zu wenig war, um sie voll zu bemannen, denn das große portugiesische Schiff hätte zu einer vollen Besatzung allein schon vierhundert Mann gebraucht.
Was unsere verlorenen, aber nun wiedergefundenen Kameraden betraf, so waren sie etwa hundertachtzig Mann, und Kapitän Avery hatte ungefähr dreihundert Mann bei sich, darunter zehn Zimmerleute, von denen die meisten von den Schiffen stammten, die sie gekapert hatten, so daß, mit einem Wort, die gesamte Macht, über die Kapitän Avery im Jahre 1699 oder ungefähr zu dieser Zeit in Madagaskar verfügte, unsere drei Schiffe waren, denn seines hatte er ja durch Schiffbruch verloren, wie der Leser erfahren hat, und er befehligte niemals mehr als alles in allem ungefähr zwölfhundert Mann.
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Etwa einen Monat darauf kamen unsere sämtlichen Mannschaften zusammen, und da Avery ohne Schiff war, beschlossen wir gemeinsam, daß unsere Leute auf dem portugiesischen Kriegsschiff und der Schaluppe fahren sollten und wir Kapitän Avery für seine Mannschaft die spanische Fregatte mit allem Takelwerk und der gesamten Ausrüstung, den Kanonen und der Munition, überlassen wollten, wofür sie sich, da sie sehr reich waren, bereit erklärten, uns vierzigtausend Pesos zu zahlen.
Danach berieten wir, welchen Kurs wir wählen sollten.
Kapitän Avery, um ihm Gerechtigkeit zu erweisen, schlug vor, hier eine kleine Stadt zu bauen und uns an Land niederzulassen, sie zu unserer Verteidigung mit einer guten Befestigung und einem hinreichend starken Bollwerk auszurüsten und uns, da wir ja einen genügend großen Reichtum besaßen, den wir nach Belieben vermehren konnten, damit zufriedenzugeben, uns hierher zurückzuziehen und der Welt die Stirn zu bieten.
Ich überzeugte ihn jedoch bald davon, daß uns dieser Ort keine Sicherheit bieten konnte, wenn wir unsere Kaperfahrten fortsetzten, denn dann würden sich alle Nationen Europas und auch die hiesigen damit befassen, uns zu vernichten; beschlossen wir hingegen, dort zurückgezogen zu leben, als Privatleute das Land zu bestellen und unsere Freibeuterei aufzugeben, dann allerdings konnten wir pflanzen und uns niederlassen, wo es uns beliebte. Dann aber, so erklärte ich, wäre es das beste, mit den Eingeborenen zu verhandeln, von ihnen weiter drinnen im Lande ein Stück Boden an irgendeinem schiffbaren Fluß zu kaufen, wo Boote flußauf und flußab Vergnügungsfahrten unternehmen konnten, aber keine Schiffe, die uns Gefahr brächten, zu segeln vermochten, und wenn wir auf dem hochgelegenen Boden Vieh züchteten, wie Kühe und Ziegen, die es dort gleichfalls in großen Mengen gab, dann könnten wir in diesem Land mit Sicherheit so gut leben, wie Menschen nur irgendwo in der Welt zu leben vermochten, und ich gestand 232
ihm, dies sei ein guter Unterschlupf für Leute, die bereit wären, ihr Handwerk aufzugeben und sich zur Ruhe zu setzen, sich aber nicht nach Hause wagten, um sich dort hängen zu lassen, das heißt, sich dieser Gefahr auszusetzen.
Obwohl Kapitän Avery sich über seine Absichten nicht äußerte, schien mir, daß er meine Vorstellung, hinauf ins Land zu ziehen, um Ackerbau zu betreiben, doch ablehnte. Er stimmte vielmehr offensichtlich der Ansicht Kapitän Wilmots zu, daß sie sich an der Küste halten, dabei aber gleichzeitig ihr Seeräubergeschäft fortsetzen sollten, und so entschieden sie sich. Fünfzig ihrer Leute zogen jedoch, wie ich später erfuhr, landeinwärts, ließen sich drinnen im Lande nieder und gründeten eine Kolonie. Ob sie sich noch immer dort befinden, vermag ich nicht zu sagen, und ebenfalls nicht, wie viele von ihnen noch am Leben sind; ich glaube jedoch, daß sie auch heute noch dort wohnen und sich ihre Anzahl beträchtlich erhöht hat, denn, wie ich erfuhr, sollen auch einige Frauen unter ihnen leben, wenn auch nicht viele; anscheinend nahmen sie von einem holländischen Schiff, das sie später auf einer Fahrt nach Mokka aufbrachten, fünf holländische Frauen sowie drei oder vier kleine Mädchen mit, und drei der Frauen heirateten Männer von ihnen und folgten ihnen auf ihre neuen Plantagen. Hiervon berichte ich aber nur nach dem Hörensa-gen.
Während wir
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