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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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mir die Kehle durchschneiden.

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    Ich erhielt insgeheim hierüber Nachricht, kümmerte mich aber überhaupt nicht darum; ich achtete nur darauf, nicht an Land zu ge hen, ohne auf ihn vorbereitet zu sein, und bewegte mich fast immer nur in sehr guter Gesellschaft. Schließlich aber trafen Kapitän Wilmot und ich zusammen, und wir besprachen die Sache mit großem Ernst. Ich bot ihm die Schaluppe an, damit er segeln könne, wohin es ihm beliebte; sollte er damit nicht zufrieden sein, wollte ich die Schaluppe nehmen und ihm das große Schiff geben. Er lehnte jedoch beides ab und wünschte nur, ich solle ihm sechs Zimmerleute überlassen, von denen ich mehr auf unserem Schiff hatte, als ich brauchte, damit sie seinen Leuten bei der Fertigstellung der Schaluppe halfen, mit deren Bau die Mannschaft des gesche iterten Fahrzeugs vor unserer Ankunft begonnen hatte. Dem stimmte ich bereitwillig zu und lieh ihm noch einige weitere Leute, die ihm nützlich waren. In kurzer Zeit bauten sie eine starke Brigantine, die vierzehn Kanonen und zweihundert Mann zu tragen vermochte.
    Welche Maßnahmen sie trafen und wie Kapitän Avery später zurechtkam, ist eine allzu lange Geschichte, als daß ich mich hier darauf einließe, und das ist auch nicht meine Aufgabe, denn ich habe ja noch meine eigene Geschichte zu berichten.
    Bei diesen verschiedenen törichten Streitereien hatten wir fast fünf Monate dort gelegen, da stach ich gegen Ende März mit dem großen Schiff, das vierundvierzig Kanonen und vierhundert Mann an Bord hatte, sowie mit der Schaluppe in See, auf der achtzig Mann fuhren. Weil der Ostmonsun noch zu stark wehte, steuerten wir nicht, wie wir zuerst beabsichtigt hatten, die Malabarküste und somit den Persischen Golf an, sondern hielten uns mehr in der Nähe der afrikanischen Küste, wo wir wechselnde Winde hatten, bis wir den Äquator überquerten, liefen bei vier Grad zehn Minuten Breite das Kap Bassa an und segelten von dort, da der Monsun nach Nordost und Nordnordost zu drehen begann, mit rauhem Wind zu den 236
    Malediven, einer berühmten Riffkette von Inseln, welche allen Seeleuten, die sich in diesem Teil der Welt aufgehalten haben, wohlbekannt ist. Nachdem wir die Inseln etwas südlich hinter uns gelassen hatten, gelangten wir zum Kap Komorin an der südlichsten Spitze der Malabarküste und umfuhren die Insel Ceylon. Hier blieben wir eine Weile liegen, um auf Beute zu lauern, und sahen drei große englische Ostindienschiffe, die von Bengalen oder Fort St. George nach England heimfuhren, oder vielmehr nach Bombay und Surat, bis der Passatwind einsetzte.
    Wir drehten bei, hißten die englische Flagge und Wimpel und blieben dort liegen, als wollten wir sie angreifen. Ziemlich lange wußten sie nicht, was sie von uns halten sollten, obgleich sie unsere Farben sahen, und ich glaube, zuerst hielten sie uns für Franzosen; als sie aber näher kamen, gaben wir uns bald zu erkennen, denn wir hißten über unserem Großmarsstengentopp eine schwarze Fahne mit zwei gekreuzten Dolchen darauf, und das ließ sie erkennen, was sie zu erwarten hatten.
    Die Wirkung sahen wir bald; zuerst hißten sie die Flagge und formierten sich uns gegenüber in einer Linie, als wollten sie den Kampf mit uns aufnehmen, denn sie hatten ablandigen Wind, der kräftig genug war, sie zu uns heranzubringen; als sie aber sahen, wie stark wir waren, und feststellten, daß sie Seefahrer von anderer Art vor sich hatten, standen sie mit allen Segeln, die sie setzen konnten, wieder von uns ab. Wären sie näher gekommen, dann hätten wir ihnen ein unerwartetes Willkommen gegeben, so aber hatten wir kein Verlangen, ihnen zu folgen, und aus den Gründen, die ich schon erwähnte, ließen wir sie ziehen.
    Obwohl wir sie aber vorbeiließen, beabsichtigten wir nicht, andere so billig davonkommen zu lassen. Schon am nächsten Morgen sichteten wir ein Segel, das um das Kap Komorin hielt und unserer Meinung nach den gleichen Kurs steuerte wie wir.
    Zuerst wußten wir nicht, was wir mit dem Schiff anfangen 237
    sollten, weil es die Küste backbord achteraus hatte, und falls wir Anstalten machten, es zu verfolgen, konnte es irgendeinen Hafen oder Schlupfwinkel anlaufen und uns entwischen; um dies aber zu verhindern, sandten wir die Schaluppe aus, damit sie sich zwischen das Fahrzeug und die Küste lege. Sobald die Verfolgten dies sahen, gingen sie auf Anlaufkurs, um sich unter Land zu halten, und als die Schaluppe auf sie zulief, steuerten sie unter vollen Segeln

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