Kapitän Singleton
brachte man ihnen zweimal täglich unent geltlich ihre Nahrung, soviel sie zu essen vermochten und so gut das Land sie hergab. Der Ort war wunderschön gelegen und wohnlich, aber in jenem Jahr wurde diese Gegend sehr von Seuchen und Wechselfieber heimgesucht, und viele Menschen starben daran. Auch den Kapitän und seinen Sohn befiel nach einiger Zeit die allgemeine Seuche, und der Kapitän, der dazu unter dem Kummer über seine beklagenswerte Lage litt, siechte über drei Monate lang dahin und starb dann am 9.
Februar 1661.
Robert Knox, sein Sohn, blieb nun verlassen, krank und in Gefangenschaft zurück und hatte niemanden, der ihn tröstete, als nur Gott, den Vater der Vaterlosen, der das Stöhnen derer vernimmt, die sich in Gefangenschaft befinden. Er war nun allein zu Beginn einer langen Periode des Elends und des Unglücks, niedergedrückt von der körperlichen Schwäche und dem seelischen Kummer über den Verlust seines Vaters und die ausweglose Not, die er vermutlich zu ertragen haben würde. Ihren ersten Vorgeschmack erlebte er beim Begräbnis seines Vaters, denn er sandte, da die Einheimischen seine Sprache nicht verstanden, seinen schwarzen Jungen mit der Bitte um Beistand zu den Bewohnern der Stadt; sie aber schickten ihm nur einen Strick, damit er ihn seinem Vater um den Hals binden und ihn daran in den Wald schleifen konnte, und ließen ihm sagen, eine andere Hilfe würden sie ihm nicht gewähren, wenn er nicht dafür bezahlte. Diese barbarische Antwort vertiefte seinen Kummer über den Tod seines Vaters, denn jetzt mußte dieser wahrscheinlich unbeerdigt bleiben und 307
zur Beute der wilden Tiere des Waldes werden; da der Boden sehr hart war und sie kein Werkzeug zum Graben besaßen, war es ihnen unmöglich, ihn zu beerdigen. Robert Knox hatte jedoch noch ein bißchen Geld übrig, nämlich eine indische Goldmünze und einen Goldring, und so mietete er einen Mann; nun begruben sie ihn auf so anständige Weise, wie ihre Lage es zuließ.
Da er den Anblick seines toten Vaters nicht mehr vor Augen hatte, sein Wechselfieber jedoch fortdauerte, ging es ihm sehr schlecht, zum Teil vor Trauer, zum Teil durch seine Krankheit.
Sein einziger Trost war, mit einem Buch in den Wald oder auf die Felder zu gehen – entweder mit „Übung der Frömmigkeit“
oder mit Mr. Rogers’ „Sieben Abhandlungen“, die einzigen beiden Bücher, die er besaß – und dort zu lesen und nachzudenken, zuweilen auch zu beten. Dabei ließ ihn die Qual seines Herzens oft die Bitte des Propheten Elias aussprechen, daß er sterben möge, da ihm das Leben eine Last sei. Obwohl es aber Gott gefiel, sein Leben zu verlängern, fand er doch einen Weg, seinen Kummer zu erleichtern, indem er ihn von seiner Krankheit befreite und ihm die Erfüllung eines Wunsches gewährte, die ihn außerordentlich befriedigte. Er hatte seine beiden Bücher so häufig gelesen, daß er sie fast auswendig kannte, und obgleich beide fromme und gute Werke waren, sehnte er sich doch nach der Wahrheit aus der Ursprungsquelle, und er hielt es für sein größtes Unglück, daß er keine Bibel besaß, und glaubte nicht, daß er jemals wieder eine zu Gesicht bekäme. Entgegen seinen Erwartungen aber ließ ihm Gott auf seine Weise eine solche zukommen. Als er eines Tages mit seinem schwarzen Jungen angelte, um ein paar Fische zu fangen, die seinen Hunger stillen sollten, kam ein alter Mann vorbei und fragte den Knaben, ob sein Herr lesen könne. Da er es bejahte, sagte der Alte, er habe von den Portugiesen, als sie Colombo verließen, ein Buch erhalten; wenn es seinem Herrn gefalle, wolle er es ihm verkaufen. Der Junge erzählte es 308
diesem, und der hieß ihn hingehen und sich ansehen, was für ein Buch es war. Der Knabe, der schon seit einiger Zeit den Engländern diente, kannte das Buch, und kaum hielt er es in der Hand, rannte er zu seinem Herrn und rief schon von weitem: „Es ist die Bibel!“ Diese Worte ließen Mr. Knox auffahren, er warf seine Angel hin und kam dem Jungen entgegen; als er sah, daß es der Wahrheit entsprach, freute er sich außerordentlich darüber, fürchtete jedoch, er habe nicht genug Geld, um das Buch zu kaufen, obwohl er entschlossen war, sich von allem Geld, das er besaß, und das war nur eine Goldmünze, zu trennen, um es zu erwerben; aber sein schwarzer Junge überredete ihn, Geringschätzung vorzutäuschen und ihm den Kauf zu überlassen. So erhielt er das Buch schließlich für eine Strickmütze.
Diesen Vorfall konnte er nur als
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