Kapitän Singleton
den umliegenden Hütten gehörten; alle liefen zusammen und betrachteten uns aus der Ferne, wobei ein kleiner Talgrund, in den der Wasserlauf floß, zw ischen uns lag.
Der weiße Mann sowie alle übrigen wußten nicht recht, wie er uns später erzählte, ob sie dableiben oder davonlaufen sollten.
Mir kam jedoch alsbald der Gedanke, wenn es weiße Männer unter ihnen gab, dann mußte es viel leichter als bei anderen sein, ihnen unsere Absichten, was Krieg oder Frieden betraf, verständlich zu machen, und so banden wir zwei weiße Lappen an ein Stockende und schickten damit zwei Neger, welche die Stange so hoch hielten, wie sie nur konnten, ans Ufer des 154
Gewässers. Es wurde sogleich verstanden, und zwei ihrer Männer kamen mit dem Weißen ans jenseitige Ufer.
Da der Weiße aber kein Portugiesisch sprach, konnten sie einander nur durch Zeichen verstehen. Als unsere Leute ihm begreiflich machten, daß sie ebenfalls weiße Männer bei sich hätten, lachte er über diese Nachricht. Jedoch, um mich kurz zu fassen, unsere Leute kehrten zurück und teilten uns mit, daß es lauter gute Freunde seien, und nach ungefähr einer Stunde gingen vier der Unseren, zwei Neger und der schwarze Prinz ans Flußufer, wo der Weiße sich zu ihnen begab.
Es dauerte keine sieben Minuten, da kam ein Neger zu mir gerannt und berichtete, der Weiße sei Inglese, wie er sich ausdrückte; darauf rannte ich voller Eifer, wie sich der Leser wohl vorstellen kann, mit ihm zurück und erfuhr, daß es so war, wie er gesagt hatte: er war ein Engländer. Nun umarmte mich dieser sehr innig, und die Tränen rannen ihm über das Gesicht. Die erste Überraschung über unseren Anblick war schon vorüber, als wir anlangten, aber jeder kann sich ein Bild davon machen, denn dem kurzen Bericht zufolge, den er uns danach von seinen sehr unglücklichen Lebensumständen und einer Befreiung gab, die so unerwartet war, wie sie wohl noch kein Mensch erlebt hatte, stand es eine Million zu eins, daß er jemals erlöst würde; nur ein Abenteuer, wie man es noch nie vernommen oder gelesen hatte, paßte auf seinen Fall, wenn der Himmel nicht durch ein Wunder für ihn handelte, das er niemals erhoffen durfte.
Anscheinend war er ein Gentleman und kein Mensch von gewöhnlichem Stand, wie etwa ein Seemann oder ein Handwerker; dies zeigte sich im ersten Augenblick unserer Unterhaltung und trotz aller Nachteile seiner elenden Lage in seinem Benehmen.
Er war ein Mann mittleren Alters, nicht älter als sieben- oder achtunddreißig, obwohl sein Bart übermäßig lang gewachsen war und ihm das Haupt- und Gesichtshaar auf merkwürdige 155
Weise bis zur Mitte des Rückens und der Brust hinabhing; er war weiß und seine Haut sehr fein, wenn auch verfärbt und an manchen Stellen mit Blasen und einer schwarzbraunen Schicht, die schorfig, schuppig und hart war, bedeckt, eine Folge der sengenden Sonnenhitze. Er war völlig nackt, und das schon, wie er uns erzählte, seit über zwei Jahren.
Unser Zusammentreffen hatte ihn so überwältigt, daß er an diesem Tage kaum eine Unterhaltung mit uns zu führen vermochte, und als er sich für eine kurze Weile von uns fortbegeben konnte, sah ich ihn mit den überschwenglichsten Beweisen einer unbändigen Freude allein umhergehen, und auch danach hatte er noch tagelang ständig Tränen in den Augen, sobald wir nur mit dem kleinsten Wort auf seine Lage anspielten oder er selbst auf seine Befreiung.
Wir fanden sein Benehmen so höflich und gewinnend, wie ich es nur je bei einem Menschen erlebt habe, und bei allem, was er tat oder sagte, ließ er die offensichtlichsten Merkmale eines gesitteten, wohlerzogenen Menschen sehen, und unsere Leute fühlten sich von ihm sehr angezogen. Er war ein gebildeter Mann und Mathematiker, portugiesisch konnte er freilich nicht sprechen, er redete jedoch lateinisch mit unserem Wundarzt, französisch mit einem anderen unserer Leute und italienisch mit einem dritten. Seine Gedanken ließen ihm keine Zeit zu fragen, woher wir kamen, wohin wir gingen, noch wer wir waren, sondern er antwortete sich stets selbst, wir kämen ganz gewiß vom Himmel, wohin wir auch gingen, und seien ausdrücklich zu dem Zweck gesandt, ihn aus der schrecklich-sten Lage zu retten, in die je ein Mensch geraten war.
Als unsere Leute ihr Lager am Ufer des kleinen Flusses gegenüber seiner Hütte aufschlugen, begann er sich zu erkundigen, welche Vorräte wir hatten und wie wir uns zu versorgen gedachten. Als er feststellte, daß unsere
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