Kapitän Singleton
und ihn deshalb freundlich aufnahm. Dort lebte er eine Zeitlang, aber weil ihm weder seine Unterkunft noch die Gesellschaft behagte, floh er von neuem und wechselte mehrfach seine Wirtsleute; zuweilen wurde er mit Gewalt entführt, zuweilen trieb ihn die Furcht zur Veränderung seiner Lage (deren Buntheit eine Erzählung für sich verdiente), bis er endlich so weit gewandert war, daß es keine Möglichkeit der Rückkehr mehr gab, und er ließ sich dort nieder, wo wir ihn fanden und wo ihn der König des kleinen Stammes, bei dem er lebte, gut aufgenommen hatte. Zum Entgelt lehrte er die Einheimischen, das Produkt ihrer Arbeit zu schätzen und die Bedingungen zu kennen, zu denen sie Handel trieben mit den Negern, die zu ihnen kamen, um Elefantenzähne einzutauschen.
Da er nackt war und keine Kleidung besaß, war er auch bar aller Waffen zu seiner Verteidigung, denn er hatte weder eine Flinte noch ein Schwert, noch einen Knüppel oder sonst ein Kriegsinstrument bei sich, nicht einmal etwas, um sich gegen die Angriffe der wilden Tiere zu wehren, von denen das Land wimmelte. Wir fragten ihn, wie er so völlig alle Sorge um seine Sicherheit hatte aufgeben können? Er antwortete, für ihn, der sich so oft den Tod herbeigewünscht habe, sei es das Leben nicht wert, daß man es verteidige, und da er völlig von der Gnade der Neger abhänge, hätten sie viel größeres Vertrauen zu ihm, wenn sie sähen, daß er keinerlei Waffen besaß, um ihnen etwas zu tun. Und was die wilden Tiere betreffe, so mache er sich ihretwegen keine Gedanken, denn er gehe kaum jemals fort von seiner Hütte, und wenn er sie verlasse, dann 159
begleiteten ihn der Negerkönig und dessen Leute, die alle mit Bogen und Pfeilen sowie mit Lanzen bewaffnet seien, mit denen sie jedes Raubtier töteten, ob es nun ein Löwe oder sonst etwas sei; sie begäben sich jedoch nur selten am Tage fort, und wenn die Neger Nachtwanderungen unternähmen, dann bauten sie sich stets eine Hütte und zündeten vor deren Tür ein Feuer an, und das gebe genügenden Schutz.
Wir erkundigten uns bei ihm, was wir als Nächstes tun sollten, um ans Meer zu gelangen. Er sagte uns, wir befänden uns etwa zweihundertzwanzig englische Meilen weit von der Küste entfernt, an der fast alle europäischen Siedlungen und Faktoreien lägen und welche die Goldküste genannt werde.
Unterwegs aber gebe es viele verschiedene Negervölker, und es stehe zehn zu eins, daß wir entweder ständig angegriffen würden oder aber aus Mangel an Vorräten verhungerten; es gebe jedoch noch zwei andere Wege, auf denen er – wie er oft geplant habe – entkommen wäre, wenn er nur Gesellschaft gehabt hätte. Die eine Möglichkeit war, direkt nach Westen zu ziehen, wo wir, obgleich der Weg weiter war, nicht so viele Menschen anträfen und diejenigen, auf die wir stießen, würden sich viel gesitteter uns gegenüber verhalten oder doch leichter zu bekämpfen sein; die andere war, zu versuchen, zum Rio Grande zu gelangen und mit Kanus stromabwärts zu fahren.
Wir sagten ihm, daß dies der Weg sei, für den wir uns entschieden hätten, bevor wir ihn fanden; aber dann berichtete er uns, daß wir zuvor eine riesige Wüste und ebenso riesige Wälder durchqueren müßten, bevor wir dorthin gelangten, und beides zusammen bedeute einen Marsch von mindestens zwanzig Tagen für uns, so schnell wir uns auch fortbewegten.
Wir fragten ihn, ob es in diesem Lande keine Pferde, Esel oder auch nur Büffel oder Wasserbüffel gebe, die wir für eine solche Reise benutzen könnten, und wir zeigten ihm unsere Tiere, von denen wir nur noch drei übrig hatten. Er sagte, nein, das ganze Land biete nichts Derartiges.
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Er berichtete uns, daß es in dem großen Wald eine unendliche Anzahl von Elefanten gebe und in der Wüste große Mengen von Löwen, Luchsen, Tigern, Leoparden und so fort und daß die Neger in ebendiesen Wald und ebendiese Wüste gingen, um Elefantenzähne zu holen, und dort immer eine große Anzahl davon fanden.
Wir fragten ihn noch genauer aus, besonders auch nach dem Weg zur Goldküste und ob es dorthin keine Flüsse gebe, die uns den Transport erleichtern könnten; wir erklärten ihm, was die Angriffe der Neger betreffe, so seien wir darüber nicht sehr besorgt und hätten auch keine Angst vor dem Verhungern, denn wenn sie irgendwelche Lebensmittel besäßen, wollten wir uns unseren Anteil daran schon beschaffen, und wenn er es daher wagen wolle, uns den Weg zu zeigen, wollten wir auch wagen, ihn zu gehen,
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