Kapitän Singleton
Bursche kam eines Morgens zu mir und fragte mich, ob ich mit ihm an Land fahren wolle, und ich erklärte mich bereit. So holten wir uns die Erlaubnis des Kapitäns, das Boot zu benutzen, und fuhren zusammen los. Während wir so beieinander waren, fragte er mich, ob ich nicht Lust zu einem Abenteuer hätte, das alles vergangene Mißgeschick wettmachen könnte. Ich erwiderte, freilich, von ganzem Herzen, denn mir war es gleichgültig, wohin ich ging, da ich nichts zu verlieren hatte und niemanden zurückließ.
Nun fragte er mich, ob ich schwören wolle, ein Geheimnis zu wahren, und falls ich seinem Vorschlag nicht zustimmte, ihn doch niemals zu verraten. Bereitwillig verpflichtete ich mich hierzu mit den feierlichsten Fluchworten und Verwünschun-gen, die der Teufel und wir beide nur zu erfinden vermochten.
Da erzählte er mir, in dem Schiff dort drüben, und er deutete auf ein zweites englisches Schiff, das im Hafen vor Anker lag, gebe es einen mutigen Burschen, der zusammen mit einigen seiner Kameraden beschlossen habe, am nächsten Morgen zu meutern und sich mit dem Schiff davonzumachen, und wenn wir nur genügend Leute von der Mannschaft unseres Schiffs für uns gewinnen könnten, seien wir in der Lage, das gleiche zu tun. Mir gefiel der Vorschlag recht gut, und es gelang ihm, 177
acht von uns zu überreden, sich ihm anzuschließen. Er sagte, sobald sein Freund sich ans Werk gemacht habe und Herr auf seinem Schiff sei, sollten wir bereit sein, das gleiche zu tun.
Dies also war sein Plan, und ohne angesichts der Verwerflich-keit der Sache oder der Schwierigkeit ihrer Ausführung auch nur im geringsten zu zögern, schloß ich mich unverzüglich der üblen Verschwörung an, und so nahm sie unter uns ihren Fortgang; wir vermochten unseren Teil davon jedoch nicht bis ins letzte durchzuführen.
Verabredungsgemäß begann sein Kumpan, der Wilmot hieß, am festgelegten Tag auf dem anderen Schiff zu handeln, und nachdem er sich des Ersten Offiziers und der anderen Offiziere bemächtigt hatte, brachte er sich in den Besitz des Schiffs und signalisierte es uns. Auf unserem Schiff waren wir nur elf, die in die Verschwörung eingeweiht waren, und wir vermochten auch niemanden mehr zu gewinnen, dem wir vertrauen konnten, und so verließen wir alle das Schiff, bestiegen das Boot und legten ab, um uns an Bord des anderen zu begeben.
Nachdem wir so das Schiff, auf dem ich gefahren war, verlassen hatten, wurden wir von Kapitän Wilmot und seiner neuen Truppe freudig gefeiert. Bereit zu allerlei Schurkereien, tollkühn und voller Verwegenheit (ich spreche von mir), ohne die geringsten Gewissensbisse angesichts dessen, worauf ich mich jetzt eingelassen hatte, oder dessen, was ich wohl später tun mochte, und noch viel weniger mit irgendwelcher Furcht vor den möglichen Folgen, schiffte ich mich also mit dieser Mannschaft ein, durch die ich schließlich dazu kam, mich mit den berüchtigtsten Piraten des Zeitalters zusammenzutun, von denen manche ihre Tage am Galgen beendeten. Ich denke, ein Bericht über einige meiner weiteren Abenteuer mag für den Leser recht unterhaltsam sein, soviel kann ich jedoch – beim Wort eines Seeräubers – schon im voraus versichern, nämlich daß ich außerstande sein werde, mir auch nur im entferntesten alle die vielen verschiedenen Unternehmungen, die zu den 178
verwerflichsten gehörten, von denen je ein Mensch der Welt berichten konnte, ins Gedächtnis zu rufen.
Ich, der ich, wie ich schon zuvor andeutete, von Anfang an ein Dieb und der Neigung nach bereits früher ein Seeräuber gewesen war, befand mich jetzt in meinem Element und hatte noch nie im Leben etwas mit größerer Befriedigung unternommen.
Nachdem sich Kapitän Wilmot (denn so müssen wir ihn jetzt nennen) auf solche Weise in den Besitz eines Schiffs gesetzt hatte, wie der Leser soeben erfuhr, vermag sich dieser gewiß unschwer vorzustellen, daß ihm nichts daran lag, im Hafen zu bleiben und abzuwarten, was man wohl vom Land aus unternahm oder welcher Stimmungswechsel möglicherweise unter seinen Leuten stattfinden mochte. Vielmehr lichteten wir noch bei dieser Flut die Anker, hielten aufs offene Meer hinaus und nahmen Kurs auf die Kanarischen Inseln. Unser Schiff hatte zweiundzwanzig Kanonen, vermochte jedoch dreißig zu führen, und da es nur als Handelsschiff ausgerüstet war, hatte es weder genügend Munition noch kleinere Waffen an Bord, die für unsere Zwecke oder für einen Kampf, den wir vielleicht ausfechten mußten,
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