Kapitän Singleton
so brachten wir ihn in unser Boot und fuhren mit ihm davon. Als ich ihn an Bord hatte, ließ ich ihn zu mir kommen.
„Nun, Freund“, sagte ich, „ich habe Euch gewaltsam fortgeschleppt, das stimmt, aber ich bin nicht der Meinung, daß ich Euch so sehr gegen Euren Willen mitgenommen habe, wie sie sich dort drüben vorstellen. Also“, sagte ich, „Ihr werdet für uns ein nützlicher Mann sein und gut von uns behandelt werden.“ So band ich ihm die Hände los und befahl erst einmal, daß man ihm alles, was ihm gehörte, zurückerstattete, und der Kapitän schenkte ihm ein Glas Branntwein ein.
„Du hast dich anständig zu mir verhalten“, sagte er, „und ich will mich dir gege nüber ehrlich erweisen, ob ich nun freiwillig mit dir gekommen bin oder nicht. Ich werde mich dir so nützlich machen, wie ich nur kann, aber du weißt doch, daß es nicht meine Sache ist, mich in eure Kämpfe einzumischen.“ –
„Nein, nein“, erwiderte der Kapitän, „aber Ihr dürft Euch ein bißchen einmischen, wenn wir das Geld teilen.“ – „Damit kann man gut die Kiste eines Wundarztes ausrüsten“, sagte William und lächelte, „aber ich werde bescheiden sein.“
Kurz, William war ein sehr angenehmer Gesellschafter; er hatte uns jedoch voraus, daß man uns, falls wir gefangen würden, ganz gewiß hängte, während er sicher war davonzukommen, und das wußte er recht gut. Aber, mit einem Wort, er war ein munterer Bursche und besser zum Kapitän geeignet als irgendeiner von uns. Ich werde im übrigen Teil meiner Erzählung noch oft Gelegenheit haben, von ihm zu sprechen.
Die Tatsache, daß wir schon so lange auf diesen Meeren herumkreuzten, begann jetzt so wohlbekannt zu sein, daß nicht nur in England, sondern auch in Frankreich und Spanien Berichte über unsere Abenteuer verbreitet wurden und man sich viele Geschichten darüber erzählte, wie wir kaltblütig Menschen ermordeten, indem wir sie Rücken an Rücken 184
banden und ins Meer warfen; die Hälfte von all dem entsprach jedoch nicht der Wahrheit, obgleich wir mehr getan haben, als hier berichtet werden muß.
Die Folge davon war freilich, daß mehrere Kriegsschiffe mit der ausdrücklichen Weisung nach Westindien ausliefen, im Golf von Mexiko, im Golf von Florida sowie zwischen den Bahamas zu kreuzen und uns, wenn möglich, anzugreifen. Wir waren nicht so unwissend, daß wir das nach einem so langen Aufenthalt in diesem Teil der Welt nicht erwartet hätten; die erste sichere Kunde davon erhielten wir jedoch in Honduras, als wir von einem aus Jamaika kommenden Schiff erfuhren, daß zwei englische Kriegsschiffe auf der Suche nach uns geradenwegs von Jamaika hierher segelten. Wir lagen in der Bucht gleichsam eingeschlossen und hätten nicht die geringste Bewegung machen können, um davonzukommen, wenn sie sich unmittelbar auf uns zubewegt hätten, aber es traf sich, daß ihnen jemand mitgeteilt hatte, wir befänden uns im Golf von Campeche, und sie fuhren unverzüglich dorthin, so daß wir von ihnen befreit waren und außerdem so weit luvwärts vor ihnen lagen, daß sie uns nicht angreifen konnten, auch wenn sie gewußt hätten, daß wir uns dort befanden.
Wir machten uns diesen Vorteil zunutze und liefen nach Cartagena aus, und von dort lavierten wir unter großen Schwierigkeiten in einer gewissen Entfernung von der Küste nach St. Martha, bis wir zur holländischen Insel Curacao und von da zur Insel Tobago, unserem schon zuvor erwähnten Treffpunkt, kamen, und da dies eine verlassene, unbewohnte Insel war, benutzten wir sie zugleich als Zufluchtsort. Hier starb der Kapit än der Brigantine, und Kapitän Harris, der zu dieser Zeit mein Erster Offizier war, übernahm das Komma n-do.
Nun beschlossen wir, zur brasilianischen Küste, von da zum Kap der Guten Hoffnung und dann weiter nach Indien zu segeln; Kapitän Harris aber, der, wie gesagt, jetzt Kapitän der 185
Brigantine war, behauptete, sein Schiff sei zu klein für eine so lange Reise; wenn Kapitän Wilmot jedoch einverstanden sei, wolle er das Risiko einer weiteren Kreuzfahrt auf sich nehmen und uns mit dem ersten Schiff, das er kapern konnte, folgen. So verabredeten wir ein Treffen in Madagaskar, weil ich den Ort empfahl und wegen des reichlichen Proviants, den es dort gab.
Darauf verließ uns Kapitän Harris zu einer unheilvollen Stunde, denn anstatt ein Schiff zu kapern, mit dem er uns folgen konnte, wurde das seine, wie ich später erfuhr, von einem englischen Kriegsschiff genommen; er lag in Ketten
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