Kapitän Singleton
und nachdem wir auf diese Weise zunächst reich geworden waren, beschlossen wir, auch stark zu werden, denn wir hatten eine in Virginia gebaute Brigantine gekapert, ein ausgezeichnetes Seeschiff, das sich gut segeln ließ und in der Lage war, zwölf Kanonen zu führen, sowie ein großes spanisches Schiff 181
in Fregattenbauweise, das sich gleichfalls hervorragend segeln ließ und das wir später mit Hilfe guter Zimmerleute umbauten, so daß es achtundzwanzig Kanonen führen konnte.
Und jetzt brauchten wir mehr Hilfskräfte, deshalb segelten wir zum Golf von Campeche, denn wir zweifelten nicht daran, dort so viele Leute an Bord nehmen zu können, wie wir nur wollten, und so war es auch.
Hier verkauften wir die Schaluppe, mit der ich fuhr, und da Kapitän Wilmot sein Schiff behielt, übernahm ich das Kommando als Kapitän der spanischen Fregatte, und mein Kamerad Harris wurde Erster Offizier. Er war ein so kühner, unterne h-mungslustiger Bursche, wie man ihn sich auf der Welt nur vorstellen konnte. Die Brigantine rüsteten wir mit einer Feldschlange aus, und so hatten wir jetzt drei starke Schiffe, die gut bemannt und für zwölf Monate mit Lebensmitteln versehen waren, denn wir hatten zwei oder drei mit Mehl, Erbsen, gepökeltem Rind- und Schweinefleisch beladene Schaluppen aus Neuengland und New York gekapert, die nach Jamaika und Barbados fuhren, und um uns noch mehr Rindfleisch zu besorgen, gingen wir auf der Insel Kuba an Land und töteten dort so viele schwarze Rinder, wie uns gefiel, obgleich wir nur sehr wenig Salz hatten, um sie einzupökeln.
Von allen Schiffen, die wir aufbrachten, beschlagnahmten wir das Pulver und Blei der Besatzung, ihre Feuerwaffen und Stutzsäbel, und was die Mannschaft betraf, so nahmen wir stets den Schiffsarzt und den Zimmermann mit, da uns diese Leute bei vielen Gelegenheiten sehr nützlich sein konnten, und sie kamen auch durchaus nicht immer ungern mit uns, obgleich sie zu ihrer eigenen Sicherheit im Falle von Zwischenfällen ohne weiteres vorgeben konnten, sie seien gewaltsam mitgeschleppt worden, wovon ich im Laufe eines Berichts über meine anderen Expeditionen noch Unterhaltsames erzählen werde.
Wir hatten einen sehr fröhlichen Menschen bei uns, einen Quäker; er hieß William Walters, und wir hatten ihn von einer 182
Schaluppe geholt, die sich auf der Fahrt von Pennsylvania nach Barbados befand. Er war Schiffsarzt, und sie nannten ihn Doktor, auf der Schaluppe aber war er nicht als Schiffsarzt beschäftigt gewesen, sondern wollte nach Barbados fahren, um dort anzumustern, wie es die Seeleute nennen. Er hatte jedoch eine Kiste mit seinen sämtlichen ärztlichen Instrumenten bei sich, und wir veranlaßten ihn, mit uns zu fahren und seine ganze Ausrüstung mitzunehmen. Er war wirklich ein unterhaltsamer Kauz, ein Mann mit sehr gesundem Menschenverstand und ein ausgezeichneter Wundarzt; ebenso großen Wert aber hatte die Tatsache, daß er gutgelaunt, ein angenehmer Gesprächspartner und dazu ein so kühner, kräftiger, tapferer Bursche war wie sonst keiner unter uns.
Ich fand William durchaus nicht abgeneigt, mit uns zu gehen, dabei aber entschlossen, es auf eine Weise zu tun, bei der es so scheinen mußte, als hätten wir ihn gewaltsam mitgenommen, und zu diesem Zweck kam er zu mir. „Freund“, sagte er, „du sagst, ich müsse mit dir gehen, und es liegt nicht in meiner Macht, mich dir zu widersetzen, auch dann nicht, wenn ich es wollte; ich möchte aber, daß du den Kapitän der Schaluppe, auf der ich reise, verpflichtest, mir mit seiner Unterschrift zu bezeugen, daß ich ge waltsam und gegen meinen Willen mitgeschleppt wurde.“ Dies sagte er mit so zufriedenem Gesicht, daß ich nicht umhinkonnte, ihn zu verstehen. „Ja, ja“, sagte ich, „ob es nun gegen Euren Willen ist oder nicht, ich werde ihn und alle seine Leute veranlassen, Euch eine Be-scheinigung darüber auszustellen, sonst nehme ich sie sämtlich mit und halte sie in Gewahrsam, bis sie es tun.“ So schrieb ich selbst eine Erklärung, in der ich feststellte, daß ihn ein Piratenschiff mit Gewalt als Gefangenen fortgebracht habe; zuerst hätten die Seeräuber sich seiner Kisten und Instrumente bemächtigt, ihm dann die Hände auf den Rücken gebunden und ihn gezwungen, zu ihnen in ihr Boot zu steigen. Dies ließ ich vom Kapitän und seiner gesamten Mannschaft unterschreiben.
183
Demgemäß begann ich ihn laut zu beschimpfen und rief meinen Leuten zu, sie sollen ihm die Hände auf den Rücken binden;
Weitere Kostenlose Bücher