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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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sich in einen grellbunten Schmetterling. Es folgte eine langjährige Hochkonjunktur. Aber die Leute, die in der Straße wohnten, empfanden das ein bisschen anders – nicht zuletzt deswegen, weil sich auch mit ihnen ein Wandel vollzogen hatte. Während die Immobilienpreise langsam stiegen, verkauften die Angehörigen der Arbeiterklasse ihre Häuser und zogen fort, meistens in größere Häuser in ruhigeren Lagen, wo ihre Nachbarn so waren wie sie. Die Bewohner, die neu in die Straße zogen, gehörten größtenteils der Mittelschicht an. Aber nach wie vor galt, dass die Häuser vor allem bei jungen Familien sehr beliebt waren. Die Familienväter hatten einigermaßen gut bezahlte, wenn auch nicht gerade spektakuläre Jobs, die Ehefrauen blieben zu Hause und kümmerten sich um die Kinder. Als dann die Preise weiter stiegen und die Zeiten sich änderten, zogen mehr Familien in die Gegend, bei denen beide Eltern berufstätig waren und sich andere Leute um die Kinder kümmerten.
    Man begann, die Häuser nachzubessern, aber nicht so wie bisher, als einfach nur erledigt wurde, was gerade anfiel, sondern mit systematischen Umgestaltungen. Dabei folgte man dem Trend, der in den siebziger Jahren begonnen hatte und seither niemals wirklich aus der Mode gekommen war: Man durchbrach Wände und schuf offene, großflächige Räume. Zahlreiche Hausbesitzer bauten ihre Dachgeschosse aus. Als der Stadtrat in den Achtzigern einen Linksruck machte und zu einem solchen Ausbau keine Erlaubnis mehr erteilte, taten sich einige Anwohner zusammen und zogen für das Recht, ihre Häuser aufzustocken, vor Gericht. DerMusterprozess wurde zu ihren Gunsten entschieden. Sie argumentierten, dass die Häuser ursprünglich für Familien konzipiert gewesen seien und dass der Dachgeschossausbau somit ganz dem Geist der Erbauer entsprach – was durchaus stimmte. Es gab in der Straße immer jemanden, der sein Haus modernisierte, und es verging kein Tag, an dem nicht irgendwo ein Baucontainer stand. Die Laster der Bauarbeiter versperrten die Straße, andauernd hörte man es hämmern, klopfen, bohren, prasseln und dröhnen, die Transistorradios der Handwerker beschallten die Gegend, und unablässig wurden Baugerüste aufgestellt. Nach dem Crash des Immobilienmarktes 1987 ließ die Bauwut etwas nach, aber bereits zehn Jahre später nahm sie wieder zu. Und nach vielen weiteren Jahren des Booms war es auch gegen Ende 2007 noch durchaus normal, dass zwei oder drei Häuser in der Straße gleichzeitig größeren Renovierungen unterzogen wurden. Der neueste Trend war der Einbau eines Kellergeschosses, dessen Kosten jeweils bei mindestens 100000 £ oder mehr lagen. Aber viele von denen, die das Fundament ihres Hauses aushoben, verwiesen gerne darauf, dass der Umbau zwar einen großen Batzen Geld kostete, dem Haus aber mindestens genauso viel an Wert hinzufügte. Wenn man es also von diesem Standpunkt aus betrachtete – und weil viele der neuen Anwohner im Finanzsektor arbeiteten, war es ein sehr beliebter Standpunkt –, gab es den Kellerausbau praktisch zum Nulltarif.
    All das war Teil einer einschneidenden Veränderung, die mit der Pepys Road vor sich ging. Seit es die Straße gab, war darin fast alles geschehen, was in einer Straße geschehen konnte. Zahllose Menschen verliebten und trennten sich wieder, ein junges Mädchen wurde zum ersten Mal geküsst, ein alter Mann tat seinen letzten Atemzug, ein Anwalt, der von der U-Bahn-Station nach Hause ging, schaute in den vom Wind ganz blaugefegten Himmel und hatte plötzlich das Gefühl, eine höhere Macht würde ihm Trost zusprechen, würde ihm versichern, dass es mehr als dieses Leben gab und dass das Bewusstsein mit dem Tod nicht endete.Babys starben an Diphtherie, Junkies spritzten sich auf dem Klo Heroin, junge Mütter bekamen Weinkrämpfe, weil sie sich so unendlich müde und einsam fühlten, andere planten ihre Flucht, hofften auf ihre große Chance, schauten Fernsehen, setzten ihre Küche in Brand, weil sie vergessen hatten, ihre Fritteuse auszuschalten, fielen von Leitern und sammelten alle Erfahrungen, die man im Leben so sammeln kann, Geburt, Tod, Liebe, Hass, Glück, Trauer, verwickelte Gefühle und einfache Gefühle, und alle Schattierungen dazwischen.
    Jetzt war die Geschichte jedoch mit einer ganz erstaunlichen und unerwarteten Wendung über die Anwohner der Pepys Road hereingebrochen. Das erste Mal seit Entstehen der Straße waren die Menschen, die in ihr lebten – nach globalen und womöglich auch

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