Kapitalismus Forever
Diktator zu stürzen, hat es verdient, ihn behalten zu müssen.
Am Kapital murksen die Marxisten schon viel länger herum als die Spanier sich mit Franco abgemüht hatten, bei stetig schwindender Hoffnung, dass eine proletarische Revolution es einmal werde hinwegfegen können. Was dann noch bleibt, ist allein das sehnsüchtige Warten auf seinen natürlichen Tod, also den des Kapitals. Die Revolutionäre verwandeln sich dabei in Betschwestern. Mit ihren gemurmelten dunklen Ahnungen von einen bevorstehenden Ende wollen sie den Untergang des Kapitals herbeireden.
Natürlich ist das, was so martialisch als Hardcore-Marxismus daherkommt, nichts anderes als windelweicher sozialdemokratischer Dünnpfiff.
Was bedeutet es denn, wenn man in Theorie und Agitation einen künftigen Totalzusammenbruch des Kapitals an die Wand malt? Nichts anderes als dies: Das Schlimmste am Kapital ist, dass es irgendwann wieder verschwindet, und zwar nicht einfach nur in die Billiglohnländer, sondern ganz von dieser Welt. Und solchen Leuten, die sich um das Ende der kapitalistischen Klassenherrschaft sorgen, soll man glauben, dass sie diese Herrschaft stürzen wollen?
Sie sagen doch selbst, nur anders formuliert: Mit dem Kapitalismus, so, wie er ist, könnten wir ganz gut leben, wenn … ja wenn nicht eines Tages das dicke Ende käme in Gestalt der Barbarei oder was immer man sich ausmalen mag.
Das ist die Haltung derer, die sich ihre Marxismus-Nische gemütlich eingerichtet haben. Fachfremd und unwissenschaftlich werden sie denken, wenn sie bei Walter Benjamin lesen:
»Der Begriff des Fortschritts ist in der Idee der Katastrophe zu fundieren. Dass es ›so weiter geht‹, ist die Katastrophe. Sie ist nicht das jeweils Bevorstehende, sondern das jeweilig gegebene. Strindbergs Gedanke: die Hölle ist nichts, was uns bevorstünde – sondern dieses Leben hier.«
Den Widerspruch, das Kapital einerseits ganz erträglich zu finden, es aber andererseits abschaffen zu wollen, lösen die Marxisten agitatorisch auf. Sie wollen den Menschen Angst machen, Angst vor einem ganz schrecklichen Ende in ferner Zukunft. Und diese Angst soll sie auf die Barrikaden treiben oder in die Arme der Linkspartei oder von wem auch immer – als wäre eine Revolution für bereits verängstigte Menschen was anderes als Selbstmord aus Angst vor dem Tod.
Darauf lassen sich die Leute nicht ein. Sie essen ja auch weiter, obgleich sie der festen Überzeugung sind, sich mit jedem Bissen zu vergiften. Irgendwann in unbekannter Zukunft an Pestizidrückständen zu verenden, ist eben doch viel angenehmer, als Übermorgen den Hungertod zu sterben.
Außerdem ist man gegen Weltuntergänge inzwischen ziemlich abgehärtet. Wider Erwarten haben wir die Pershing II, die AKWs, das Waldsterben, Tschernobyl, den Golfkrieg, die Schweinegrippe und den Klimawandel überlebt. Die Marxisten hätten ein bisschen früher aufstehen müssen, um ihre Weltuntergangsvision an den Mann zu bringen. Heute glaubt ihnen keiner mehr. Sie haben zu lange in die falsche Ecke geschaut und dabei den Untergang des Ostblock oder des Kommunismus verschlafen. Vor allem haben sie vergessen, dass sie diesen tatsächlichen Untergang weder geahnt noch geweissagt hatten, ein Umstand, der ihre prophetische Gabe stark in Zweifel zieht.
Man wird, wenn man so redet, gern gefragt, ob denn die Weltwirtschaftskrise von 1929 etwa keine Katastrophe gewesen wäre. Nein, war sie nicht. Man könnte sagen, dass das Kapital eine Katastrophe ist, die Katastrophe als Dauerzustand oder Daseinsform. Aber das Kapital selbst erleidet und kennt keine Katastrophen, eben so wenig wie die Natur.
Nicht mal dies haben die Kapitalforscher kapiert. Überhaupt habe ich den Verdacht, dass sie schlichte Gemüter sind, die sich hinter einem bombastischen Vokabular verschanzen. Wenn man das weglässt, kommt eine erschrockene Oma zum Vorschein:
»Echt Wahnsinn, wie das Kapital immer mehr wird. Wo soll das noch hinführen? Wo soll das alles bloß enden? Das kann doch nicht gut gehen! (Tut’s ja auch nicht. Keine Panik, Oma! Ein kräftiger Crash, und die Billionen sind wieder futsch. Nur nicht gleich die Nerven verlieren!)«
Ich habe jetzt den ganzen Gedanken skizziert, aber sie denken nur bis zur Hälfte. Den eingeklammerten Teil lassen sie weg.
Für die Natur ist jedes Ende ein Anfang. Als die Dinos abkratzten, bekamen die Säugetiere ihre Chance. Die waren vorher ganz klein gewesen und hatten sich tagsüber in Erdhöhlen vor ihren
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