Kaputt in El Paso
mit Jillian zusammen, auf dem verschwitzten Laken im Oasis.
Ich stehe zu meinem Wort, Liebling, sagte sie.
Zu welchem Wort?
Liebe. Die Vorstellung von Liebe. Ohne die ich nicht leben kann.
Du meinst Liebe wie in Love Conquers All?
Sei nicht albern, Liebling. Nicht jetzt. Es ist mir ernst damit.
Ich bin nicht albern, ich meine es wahrhaftig so … wahrhaftig, so wie Wahrheit.
Es gibt mehr als eine Wahrheit, sagte sie.
Du hast deinen Ehemann ermordet.
Du warst dabei, hast geholfen. Du wäschst deine Hände auch nicht in Unschuld.
Selbst im Tod multiplizieren sich deine Lügen, Jillian.
Ich nahm beinahe ihren Duft wahr, ihren Geschmack auf meiner Zunge. Meine Haut erinnerte sich an ihre Haut, meine Augen sahen ihre Augen, die tiefen Wasser dahinter. In diesen Tiefen lag ihre Wahrheit, die einzige Wahrheit, die mich interessierte. Da wollte etwas heraus aus meiner Brust. Ich würgte es hinunter. Doch ein wenig davon entwischte – eine Mischung aus Knurren und Wimmern. Es regnete unvermindert weiter. Victor hatte die Scheibenwischer auf volle Leistung gestellt, dennoch machten die Wassermassen die Sichtverhältnisse zum Ratespiel. Wir befanden uns in der Wüste südlich von Juárez und die Wüste wurde geflutet.
» … Geldwäsche«, sagte Solís, »wird von respektablen Männern weltweit betrieben. Selbst Ihre politischen Parteien nehmen gewaschenes Geld von anonymen Spendern an – zu denen auch ich gehöre. Das Geld findet immer einen Weg.«
»Grünes Blut«, sagte ich und dachte dabei an Zack. War Zack korrupt? Oder arbeitete er nur für ein korruptes System? Kann ein unbestechlicher Mensch für ein korruptes System arbeiten, ohne infiziert zu werden? Wohl kaum.
»Grünes Blut«, wiederholte Solís. »Sangre verde. Und Cibola ist die Blutbank.« Er lachte wieder in sich hinein. Ein glücklicher Mann, der sich nicht die Fesseln abstrakter Moralvorstellungen anlegen ließ. Er sei religiös, hatte Jillian gesagt. Aber wann hatte Religion auch nur einmal das Gebaren ihrer eigenen Befürworter in seine Schranken verwiesen?
Die Gräben beiderseits des Highways liefen voll Wasser, die ausgetrocknete Wüste konnte nichts aufnehmen. Weiter hinten spiegelte sich der Himmel in Seen von kurzer Lebensdauer. Victor ging vom Gas, als die Straße plötzlich in einen braunen Bach mündete. Nur zögernd fuhr er weiter. Um die Radkappen bildeten sich Strudel. Dann beschleunigte er plötzlich und rauschte hindurch. Für einen kurzen Augenblick spürte ich, wie die große Limousine ins Schwimmen geriet.
»Können Sie nachvollziehen, wenn ich sage, dass der Stierkampf ein Sinnbild des Lebens ist, señor Walkinghorse?«, fragte Solís.
Ich fing an, sein Verhalten zu begreifen. Indem er so ganz nebenbei mit mir sprach, zeigte er Anerkennung für meine Fähigkeit, eine Trennlinie zwischen meiner Person und den äußeren Umständen zu ziehen. Er zollte meiner Gelassenheit Respekt – in seinen Augen war ich ein Mann, der zu sterben verstand como un hombre, ein Mann, der auf den Stufen zum Schafott mit seinem Henker freundlich Konversation machte. Er zollte mir zu viel Respekt.
Ich blieb ihm die Antwort schuldig in der Annahme, er werde mir ohnehin die sattsam bekannte Erklärung für das ritualisierte Schlachten liefern – der Stierkampf als Demonstration der Herrschaft des Menschen über die Natur; der Tanz von Leben und Tod mit dem Stier als auserwähltes Opfer. Doch ich sollte mich irren.
»Die corrida zelebriert den Sieg der Korruption über die Integrität«, erklärte er und es klang wie Blasphemie aus dem Munde eines alten Matadors. Er drehte sich zu mir um, wollte sich vergewissern, dass ich überrascht war und lächelte, weil ich es war.
»Der Matador ist korrupt«, fuhr er fort«, pero der Stier ist es nicht. Der Mensch erzielt seine Erfolge durch Täuschung und Mut. Der Stier kennt nur den Mut, er ist rein. Er spürt nichts als den Drang, seinen Peiniger zu töten. Doch seine Hörner können den Matador nicht finden. Denn der ist hinter der muleta mal hier, mal dort. Der Stier kommt gegen diese Täuschung nicht an. Er sieht niemals den Dolch, den das rote Tuch verhüllt. ¿Comprende? Täuschung des eigenen Vorteils wegen – ist das keine Definition von Korruption? Ist dann die corrida nicht eine alegoría vom ehrgeizigen Menschen und seinem Umgang mit der Welt?
»Dann ist es also in Ordnung, zu lügen, zu betrügen und zu stehlen?«
»Das hängt von der integridad ab … der Integrität des Lügners, des
Weitere Kostenlose Bücher