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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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eine seiner boshaften
     Taktiken, nahe an der Unverschämtheit, die er manchmal sogar im Staatsrat gegenüber dem König anwandte, indem er stumm blieb
     wie ein Karpfen, wenn Seine Majestät ihn um seine Meinung befragte. Im Gegensatz zu Ludwig, der seinem Ärger dann in heftigen
     Vorwürfen Luft machte, zuckte der Kardinal mit keiner Wimper und wartete undurchdringlichen Gesichts mit scheinbar engelhafter
     Geduld, bis der Marschall zu antworten geruhte.
    »Herr Kardinal«, sagte schließlich Bassompierre in einem Ton, als ginge ihn die Angelegenheit nichts an, »ein Sturmangriff
     hätte zweifellos den Vorteil, die Armeen (er sagte nicht »die Armeen Seiner Majestät«, wie es jeder andere an seiner Stelle
     getan hätte) der Untätigkeit zu entreißen. Es ist leider nur abzusehen, daß solch ein Sturmangriff scheitern würde.«
    Der Herzog von Angoulême protestierte: »Wer kann im voraus sagen, ob ein Angriff glückt oder scheitert?«
    Ohne den Herzog eines Blickes, geschweige denn einer Antwort zu würdigen, sagte Bassompierre: »Herr Kardinal, ich habe Euch
     meine Meinung gesagt.«
    »Und ich danke Euch, Herr Marschall«, sagte Richelieu, wobei er sich in keiner Weise anmerken ließ, wie sehr ihm Bassompierres
     verächtliches Benehmen gegenüber Angoulême widerstrebte.
    Für meine Begriffe ging Bassompierre kein großes Wagnis ein, wenn er sich jetzt bereits für die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns
     aussprach. Wenn der Angriff glückte, würde man |214| seine pessimistische Voraussage im Siegestaumel vergessen, wenn er fehlschlüge, könnte er überall im Lager mit seinem »Habe
     ich es nicht gesagt?« aufwarten.
    Ich konnte nicht umhin, diese Beobachtung später Monsieur de Guron mitzuteilen.
    »Gewiß«, sagte er, »außerdem aber war es eine Unverschämtheit gegenüber dem Kardinal, der diesen Sturmangriff plante.«
    »Es liegt vor allem daran«, warf Pater Joseph ein, »daß Bassompierre, obwohl er hier sein Soldatenhandwerk verrichtet, gar
     nicht wünscht, daß Seine Majestät La Rochelle unterwirft. Erinnert Ihr Euch, was er zu Beginn der Belagerung sagte? ›Ihr werdet
     sehen, wir werden so verrückt sein, La Rochelle einzunehmen.‹ Bassompierre weiß natürlich, welchen außerordentlichen Widerhall
     die Einnahme der hugenottischen Festung in Europa haben würde und daß der Ruhm des Königs und Richelieus dann so groß wäre,
     daß Komplotte gegen sie keine Verbündeten mehr finden würden, nicht in Frankreich und nicht im Ausland.«
    Doch zurück zu unseren Hammeln, Leser. Die Konsultationen fortsetzend, fragte der Kardinal nun Schomberg, was er von dem geplanten
     Sturmangriff halte.
    Nun, Schomberg, so schlicht und rauhbeinig er auch war, mangelte es doch nicht an Klugheit und Feingefühl, auch wenn Bassompierre
     ihm diese absprach. Und so nutzte er seine Antwort, dem Herzog von Angoulême Ehre zu erweisen und Bassompierre unausgesprochen
     eins auszuwischen.
    »Herr Kardinal«, sagte er, »die einzige vernünftige Frage, die sich in der gegenwärtigen Lage stellt, ist doch, wie Monseigneur
     d’Angoulême treffend sagte, ob so ein Sturmangriff denn machbar ist. Dazu gilt es zunächst, in der feindlichen Festung den
     schwächsten oder am wenigsten bewachten Punkt ausfindig zu machen. Sodann benötigt man die Mittel, ein Fallgatter und ein
     eisenbeschlagenes Tor zu sprengen. Dazu braucht man Sprengkörper und Sprengmeister. Wir haben aber keine hier, weil wir zu
     Anfang der Belagerung darauf setzten, daß die Zeit und der Hunger La Rochelle in die Knie zwingen würden.«
    »Dieses Versäumnis«, sagte der Kardinal, »kann unverzüglich behoben werden, wenn Ihr mir sagt, wo Sprengkörper und Sprengmeister
     zu haben sind.«
    |215| »Erstere«, sagte Schomberg, »werden in Saintes hergestellt, und die zweiten dingt man am besten in Paris.«
    »Ich werde dafür sorgen«, sagte der Kardinal und stand auf. »Meine Herren, ich danke Euch unendlich für Eure kostbaren Meinungen.«
    Das Trio erhob sich und verließ nach den üblichen Reverenzen, deren keine abgekürzt wurde, den Raum, als erster der Herzog
     von Angoulême, nicht weil er Herzog war – die Marschälle standen jenseits des französischen Adels –, sondern als Prinz von
     Geblüt.
    »Meine Herren«, sagte Richelieu, nachdem die Tür sich hinter den Heerführern geschlossen hatte, »bitte, bleibt: Ihr sollt
     weiteres erfahren. Ein Sturmangriff auf eine so gut befestigte Stadt wie La Rochelle ist ein sehr großes Wagnis. Es

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