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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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begriff ich den Grund: Weder Soldaten noch
     Rebellen hatten mehr die Kraft zu schreien.
    Nicolas und ich ritten zur Rechten und zur Linken von Mademoiselle de Foliange, Hauptmann von Clérac übernahm die Führung
     unserer Gruppe, zuerst in leichtem Trab, doch als er sich umblickte, bemerkte er, daß der Zelter des Fräuleins zu schwach
     war, um Schritt zu halten, und so legten wir den ganzen Weg vom Fort de Tasdon bis Schloß Brézolles im Schildkrötentempo zurück
     und ohne ein einziges Wort zu sprechen.
    Zur Linken des Zelters von Mademoiselle de Foliange reitend, konnte ich sie im Ganzen betrachten, weil sie, im Damensattel,
     beide Beine nach meiner Seite herabhängen ließ und die Augen still auf die Mähne ihrer Stute gesenkt hielt. Sie war bei weitem
     nicht so mager wie die rebellischen Rochelaiser, die ich vorhin gesehen hatte, so spartanisch war das Essen bei der Herzogin
     von Rohan wohl noch nicht. Trotzdem sah sie blaß und leidend aus, zumal ihr schönes Gesicht kein bißchen geschminkt war, wahrscheinlich
     herrschte in La Rochelle großer Mangel an sämtlichen Annehmlichkeiten des Lebens, auch an Schminke.
    Mir auf halbem Weg innewerdend, daß Nicolas sehr enttäuscht sein mußte, von seiner Schönen nur den Rücken zu sehen, zügelte
     ich meine Accla, winkte dem jungen Mann, meine Stelle einzunehmen, und wechselte auf die rechte Seite über. Nicolas schien
     darüber sehr froh zu sein und das Fräulein nicht minder. Auch wenn sie weiterhin schwieg, hoben sich ihre Augen nun sicherlich
     dann und wann von der Stutenmähne, angezogen von den begierigen, verliebten Blicken, die Nicolas, zu ihrer Linken nun, nicht
     von ihr abwandte. Was übrigens der Lenkung des Zelters keinen Schaden tat, der brav dem Leitpferd von Monsieur de Clérac nachtrottete.
    Sobald wir in den Umkreis des Lagers kamen, erregte der schöne Anblick von Mademoiselle de Foliange auf ihrem weißen Roß und
     im Schutz ihrer drei Ritter überall Bewunderung und Freude. Alles schaute und blickte ihr nach, zumal jedermann im Lager wußte,
     wer sie war und weshalb sie hierher |208| kam. Bald hatten wir einen ganzen Geleitzug von Soldaten, Händlern oder Bediensteten im Gefolge, die unser Loblied sangen,
     gerade so, als hätten wir eine neue Jeanne d’Arc von einem hugenottischen Scheiterhaufen errettet. Bald sah sich Monsieur
     de Clérac veranlaßt kehrtzumachen und unsere Bewunderer höflich, aber bestimmt aufzufordern, ihrer Wege zu gehen, Mademoiselle
     de Foliange bedürfe nach ihren überstandenen Prüfungen der Schonung und der Ruhe. Zu unserer großen Erleichterung gelang es
     Monsieur de Clérac, unsere Verfolger zu überzeugen, denn wir hatten schon gefürchtet, sie würden auch noch wissen wollen,
     wo das Fräulein wohnen würde, was zu ständigen, lärmenden Aufläufen vor dem Gittertor von Schloß Brézolles geführt hätte.
    Madame de Bazimont begrüßte Henriette de Foliange, indem sie sie mit »Mademoiselle« ansprach, wie es ihrem Rang gebührte,
     und als die Besucherin ihrerseits sie mit »Madame« anredete, war sie überglücklich und schloß die junge Dame sogleich in ihr
     Herz, die, obgleich die Cousine einer Herzogin, weder hochmütig noch geziert war und obendrein schön wie die Morgenröte. Sie
     fragte sie, ob man ihr das für sie bereitete Zimmer zeigen solle. Doch ohne jedes Zögern, allerdings bis in die Stirn errötend,
     stellte das Fräulein mit matter Stimme eine andere Frage.
    »Madame«, sagte sie, »darf ich fragen, wann es hier Abendessen gibt?«
    Wir hätten über diese unverblümte Frage gelächelt, wäre nicht jedem von uns mit Beschämung eingefallen, daß Henriette de Foliange
     Hunger gelitten hatte, und Madame de Bazimont wurden die Augen feucht.
    »Herr Graf«, sagte sie seufzend, »wenn Ihr erlaubt, treibe ich die Küche zur Beeilung an. Und darf ich Luc anweisen, ein Gedeck
     für Monsieur de Clérac aufzutragen?«
    Ich stimmte sofort zu, und nach einigen höflichen Ablehnungen nahm Monsieur de Clérac meine Einladung an. Obwohl Madame de
     Bazimont mir hiermit vorgegriffen hatte, kitzelte mich der Gedanke, wie stolz die gute Frau nun wohl war, »ihre Edelmänner«
     noch um einen schmucken Hauptmann der Königlichen Musketiere vermehrt zu haben. Sicherlich hätte Nicolas mit mir gelacht,
     wenn er nicht ganz anderes im Kopf gehabt hätte. All sein Sinnen war darauf gerichtet, Mademoiselle |209| de Foliange anzusehen, ohne es zu sehr merken zu lassen: Eine Übung, die das
gentil

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