Kardinal vor La Rochelle
auf seinem Teller hielten. Und als ich ihr sagte, daß
ich vor dem Mittagessen noch Hörner und seine Männer aufsuchen wolle, die am Bau der Parkmauer arbeiteten, ließ sie ihnen
durch Luc fünf Flaschen desselben Weins bringen, um sie zu erquicken und ihnen im Namen ihrer Herrin zu danken. Nicolas fragte,
ob er mich begleiten dürfe, und so nahm ich ihn mit, denn er hatte sich schon genug gelangweilt, während ich beim Kardinal
war.
Hörner empfing mich mit seiner militärisch straffen teutonischen Höflichkeit, als ob er einen Oberst begrüßte, und zeigte
mir nicht ohne Stolz die Teile der Umfassungsmauer, die er mit seinen Schweizern aufgerichtet hatte.
»Natürlich, Herr Graf«
, 1 sagte er, »ist diese Mauer mit Leitern übersteigbar, aber man kann an der Innenseite immer noch Fallgruben anlegen, um den Schuften beizukommen, die es versuchen
sollten. Weniger kostspielig wären allerdings ein paar deutsche Doggen, die man über Tag im Zwinger hält und nachts im Park
laufen läßt.«
»Gut, Hörner, Sie müßten nur wissen, wo man Doggen kaufen kann, und bravissimo für die Mauer! Sie ist so gut gebaut, als wären
hier Maurer am Werk.«
»Einer von meinen Männern war Maurer«, sagte Hörner, »er hat es den anderen beigebracht.«
Ich lobte die Männer für ihre Geschicklichkeit, ermahnte Hörner, er solle sich nicht scheuen, falls einer sich bei der Arbeit
verletze, ihn sofort zu mir zu schicken, damit er behandelt |218| werde, bevor die Wunde anfange zu schwären, und wünschte allen, sich den Wein munden zu lassen.
»Herr Graf«, sagte Nicolas, als wir zum Haus zurückkehrten, »darf ich eine Bemerkung machen?«
»Nur zu, Chevalier, wenn sie stichhaltig ist?«
»Nun, Ihr setzt in Haustein, Sand und Mörtel viele, viele gute Taler dran für eine Mauer, die Ihr wahrscheinlich nie wieder
sehen werdet, wenn der Krieg vorbei ist.«
»Hab ich mir’s doch gedacht: Es ist keine stichhaltige Bemerkung.«
»Darf ich fragen, warum?«
»Weil sie eine Alternative offenläßt.«
»Darf ich fragen, welche, Herr Graf?«
»Entweder ich sehe Madame de Brézolles wieder, wenn der Krieg vorbei ist, oder ich sehe sie nicht wieder und die Mauer auch
nicht.«
»Herr Graf, ich beteure meine Unschuld, ich wollte keinesfalls in Euer Privatleben eindringen.«
»Von dem Verdacht bist du freigesprochen, Chevalier. Aber warum würde ich, wenn der Krieg vorbei ist, Madame de Brézolles
wiedersehen wollen, wenn nicht, um sie zu heiraten?«
»Herr Graf, ich erlaube mir zu bemerken, daß Ihr zum erstenmal von Heirat sprecht.«
»Es ist das Wort, das deine Rede offengelassen hatte. Gib es zu, Chevalier, seit du selbst nur noch von Heirat träumst, würdest
du am liebsten alle Welt unter die Haube bringen.«
»Ich bitte um Vergebung, Herr Graf.«
»Gewährt.«
»Ich schweige schon still. Erlaubt Ihr mir trotzdem, Euch zu sagen, Herr Graf, daß diese Eheschließung, die Ihr selbst eben
erwähntet, in meinen wie in aller Augen überaus passend wäre?«
»Nicolas, du hast eine sehr redselige Art zu schweigen. Trotzdem sei dir auch diese Bemerkung vergeben, wenn es die letzte
ist.«
»Es ist die letzte, Herr Graf.«
Während ich den Weg zum Schloß nahm, stellte ich bei mir fest, daß der Grünschnabel reichlich kühn geworden war, seit er in
der Gewißheit, Mademoiselle de Foliange zu heiraten, auf Wolken schwebte. Aber wie hätte ich es ihm verübeln können, so ergeben
und anhänglich, wie er war?
|219| Madame de Bazimont hatte nur auf meine Rückkehr gewartet, um auftragen zu lassen, und ich werde nie vergessen, mit welch begeisterter
Behendigkeit Monsieur de Guron zu Tische ging. Kaum auf seinem Stuhl, mußte er allerdings wieder aufstehen, wie auch wir,
denn Mademoiselle de Foliange erschien und machte uns ihre Reverenz, die zwar auch nur angedeutet, aber bereits ein Fortschritt
gegenüber dem gestrigen Abend war, als sie sich kaum auf den Beinen halten konnte. Sie war auch nicht mehr so leichenblaß,
es schien ihr schon besser zu gehen, wahrscheinlich weil sie neuen Lebensmut gewonnen hatte. Vielleicht hatte Madame de Bazimont
ihr aber auch ihr Schminkzeug zur Verfügung gestellt, so daß sie zum Zeichen neuer Lebensfreude ein wenig Farbe aufgelegt
hatte. Ich hatte Nicolas den Platz ihr gegenüber gegeben, damit sie den Kopf nicht nach rechts oder links drehen mußte und
schon ein Wimpernschlag genügte, um ihn anzusehen. Ich muß gestehen, daß dieses verstohlene
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