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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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fehlgeschlagenen Angriffe unerbittlich weiterging, wurde Seiner Majestät ein
     ebenso festlich beleuchteter wie geräuschvoller Empfang bereitet. Rings auf den Umzingelungswällen brannten Freudenfeuer,
     aus allen Gräben wurden Musketensalven gefeuert, und die Kanonen donnerten ohrenbetäubend.
    Wenn Sie erlauben, Leser, gehe ich hier wenige Schritte zurück. Von Niort nämlich hatte der König einen Kabinettskurier gesandt,
     um dem Kardinal sein Kommen anzukündigen. Ich war dabei, als er das Schreiben erhielt, und sowie der Kardinal das Siegel erbrochen
     und den Brief überflogen hatte, teilte er mir dessen Inhalt mit. Hierauf errötete er vor Glück, dann erblaßte er, dann faßte
     und setzte er sich und sagte keinen Ton. Es war offensichtlich, wie unendlich ihn der Gedanke erleichterte, welche Hilfe ihm
     Ludwig allein schon durch seine Gegenwart bei seiner erdrückenden Arbeitslast bringen würde. Es war zehn Uhr morgens, als
     Richelieu mich entließ, wobei er mir übrigens keine Geheimhaltung der königlichen Rückkehr anempfahl, doch als ich zu Nicolas
     und unseren Pferden kam, schwang ich mich in den Sattel, ohne durch das leiseste Wort zu verraten, was ich erfahren hatte,
     sosehr es mir auch auf den Lippen brannte, ihm mitzuteilen, was ihn, wie man sich denken kann, auf den Gipfel der Freude versetzen
     mußte.
    Ich hielt jedoch an mich, weil ich meinte, ich schuldete es Mademoiselle de Foliange, ihm nichts zu sagen, bevor sie nicht
     dabei wäre, damit sie diese Seligkeit mit ihm teilen könne. Was mich anging, so frohlockte ich bei dem Gedanken, ihnen ihr
     so nahes Glück zu verkünden, denn ich hatte sie beide sehr gern, wenn auch auf verschiedene Weise. Die Frage, die mich bewegte,
     als ich mit ihnen zu Tisch ging, war nur, ob ich ihnen die gute Nachricht sofort mitteilen sollte – wie man sich erinnern
     wird, hatte er ihre Hochzeit für den Tag angesetzt, an dem er im Lager eintreffen würde –, oder ob ich damit bis zum Ende
     der Mahlzeit warten sollte? Nach einigem Hin und Her entschied ich mich für die zweite Lösung, denn, sagte ich mir, wenn Mademoiselle
     de Foliange einen gefüllten Magen hätte, |241| könnte sie nicht so leicht in Ohnmacht fallen. Seit sie bei uns lebte und gut und ungescheut essen durfte, hatte sie sich,
     Gott sei Dank, wunderbar erholt. Sie war nicht mehr das abgezehrte, blasse Kind, das sie bei ihrer Ankunft gewesen war, kaum
     imstande, einen Knicks anzudeuten, und so matt, daß sie mit gleichsam erloschener Stimme sprach und sich bei Madame de Bazimont
     einhaken mußte, um zu ihrem Zimmer hinaufzusteigen. Nein, sie war längst wieder, was sie wohl vor dem Darben in La Rochelle
     gewesen war: ein wunderschönes Mädchen, schmal in der Taille, aber hübsch rund, wo es sich für ein Mädchen gehört, fröhlich,
     mit strahlenden Augen, naschhaftem Mund und niedlichen weißen Zähnen, voller Lust, das Leben zu kosten. Im übrigen konnte
     sie sich in diesem Schloß nur glücklich fühlen, wo sie von Nicolas so schwärmerisch geliebt wurde, so mütterlich von Madame
     de Bazimont und von mir, nun, väterlich will ich nicht sagen. Zum einen war ich nur zehn Jahre älter als sie, zum anderen
     entzückte mich dieses blutjunge Wesen, nur daß die Begehrlichkeit, die daraus erwuchs, sich infolge meiner Gewissensbisse
     in lautere Zärtlichkeit verwandelt hatte. Verflixt, sagte ich mir, ich werde doch nicht, wie es in der Bibel heißt, »meines
     Nächsten Weib begehren«, zumal dieser Nächste mein Bediensteter ist! Ich glaube aber, der Ausdruck »lautere Zärtlichkeit«,
     den ich soeben gebrauchte, ist doch ein bißchen scheinheilig, denn offen gestanden, enthielt dieses Gefühl zuviel verhohlene
     Sinnlichkeit, um es mit einem väterlichen zu verwechseln.
    »Mademoiselle«, sagte ich, als wir mit dem Käse fertig waren, »beliebt mich anzuhören. Ich möchte Euch eine Nachricht mitteilen,
     die Euch, wenn Ihr zu dem Chevalier de Clérac noch genauso steht wie vorher, ebenso wie ihn nur freudig stimmen kann.«
    Das Fräulein errötete bei diesen Worten, warf einen Blick auf Nicolas, dann einen auf mich und blieb stumm.
    Ihr Schweigen brachte mich aus dem Konzept, denn ich fand, ich an ihrer Stelle hätte natürlich versichert, daß meine Gefühle
     für Nicolas sich nicht geändert hätten. Sie aber blieb still und stumm und schlug die Augen nieder. Sollte ich nun fortfahren
     oder nicht, fragte ich mich etwas beklommen, denn angenommen, meine Nachricht erfreute

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