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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Begleitwort mit, das beiliegende Schreiben, das ihnen nicht durch
     die Post, sondern durch ein englisches Frachtschiff zugegangen sei, das im Nantaiser Hafen ankerte, habe auf dem Umschlag
     ihre Namen getragen. (England und Frankreich hatten sich ja nicht offen den Krieg erklärt, und so ging der Handel zwischen
     beiden Ländern wie vorher vonstatten.) Als sie den Brief aber öffneten, sei ihnen rasch klargeworden, daß er an mich gerichtet
     sei, denn er begann mit der Anrede: »Ge liebte französische Lerche«. So hatte Mylady Markby einst meinen Vater genannt und zwanzig Jahre später auch mich, als ich im Auftrag
     des Kardinals in London war.
    Mylady Markby war mir bei meiner Londoner Mission eine kostbare Hilfe gewesen, weil sie besser als jeder andere die
happy few
kannte, die England regierte. Und sie hatte mir äußerst nützliche Informationen über Buckingham verschafft wie auch über die
     Rochelaiser Gesandten, die in London um Englands Bündnis und Unterstützung buhlten.
    Es war eine sehr hohe Dame, sehr frei in ihren Worten wie übrigens in ihren Sitten, und genauso wie die Großen in Frankreich
     verfolgte sie ihre eigene Politik, ohne sich um die von König Karl zu scheren, weil es sowieso nicht Karls, sondern Buckinghams
     Politik sei. »Steenie« – so der Kosename des Königs für seinen Favoriten –, machte nach ihren Worten im Staat, was er wollte,
     während Karl nicht den kleinen Finger zu rühren wagte, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen.
    Da sie die Männer liebte, wunderte es mich nicht, daß sie wenig Sympathie für jene aufbrachte, die sich aus dem weiblichen
     Geschlecht nichts machten. Doch ihre entschiedene Aversion gegenüber Buckingham war patriotischer Natur. Mit grimmiger |247| Lust zitierte sie den Ausspruch eines gewissen Mister Coke vor dem Parlament: »Lord Buckingham ist die Ursache all unserer
     Nöte, er ist die Kalamität der Kalamitäten.«
    Schöne Leserin, so wie Sie an meinen Lippen hängen, wie Sie mir gütigst zu schreiben beliebten, darf ich sagen, daß ich an
     Ihren Augen hänge, und sobald ich darin auch nur einen Anflug von Ermüdung zu erkennen meine, bemühe ich mich tunlichst, Ihre
     Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Deshalb gebe ich den Brief Mylady Markbys hier nicht in Gänze wieder, sondern rücke meinen
     Lehnstuhl neben den Ihren und erzähle Ihnen kurz und knapp, wie Lady Markby die Haltung der englischen Klassen, des Adels,
     der middle class und des Volkes, gegen Buckinghams Frankreich-Politik charakterisierte.
    So verächtlich die Großen über Buckingham, den Parvenü aus niederem Landadel, auch die Nase rümpften, betrachteten sie seine
     Feldzüge gegen Frankreich doch nicht ohne Wohlgefallen, zumal diese sie, weil sie von Abgaben und Steuern befreit waren, keinen
     Penny kosteten. »Der Aufstand von La Rochelle«, sagte der Earl of Carlisle, »ist ein Fieber, aber ohne dieses Fieber wäre
     Frankreich seinen Nachbarn zu stark.«
    Die Haltung der middle class, zusammengefaßt in den niederschmetternden Worten des Mister Coke im Parlament, war hingegen
     von Grund auf feindselig: Man empfand es als unduldbar, daß Buckingham zur Finanzierung seiner abenteuerlichen Expeditionen
     gegen Frankreich willkürlich, in schamloser Mißachtung der Gesetze und der Rechte des Parlaments, neue Steuern erhoben hatte.
    Der kleine Mann des Volkes aber sah sich nicht nur ausgepreßt durch die Steuern, sondern obendrein zum Dienst in Militär oder
     Marine gezwungen, durch Zwangsrekrutierung seinem Gewerbe und seiner Familie entrissen. Und wer wußte nicht, daß im Salon
     von Buckinghams Admiralsschiff, als er auszog, die Insel Ré zu erobern, ein großes Bildnis der französischen Königin, Anna
     von Österreich, geprangt hatte: Buckingham führte also Krieg gegen den König von Frankreich, nur um sich dafür zu rächen,
     daß dieser ihn aus der Nähe der »ver dammten Französin und Papistin« verbannt hatte. Was aber sagte man erst über das prächtige Diamantenarmband, das Karl I. seinem Günstling
     geschenkt hatte, um ihn über sein für England so schmähliches und an englischen Leben so kostspieliges |248| Scheitern auf der Insel Ré zu trösten? Es war ein Skandal! »Für ihn Diamanten«, hieß es, »für uns die Gräber!«
    Hierauf erläuterte Lady Markby mit ihrer üblichen Unverblümtheit, wieso es so lang gedauert und ein so zähes Feilschen erfordert
     hatte, bis das englische Bündnis mit La Rochelle zustande kam.
     
    »Was nun folgt, meine

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