Kardinal vor La Rochelle
damit sie es sich bequem machten, während ich die Haushofmeisterin, indem ich sie vertraulich unterhakte, beiseite nahm und
fragte, ob es möglich sei, die Herren, dem Wunsch des Kardinals gemäß, für einige Tage bei uns aufzunehmen. Sie zögerte zunächst,
und nach einer Flut von Höflichkeiten verlangte sie zu wissen, wer diese Herren seien.
|293| »Es sind ehrwürdige Richter vom Präsidialgericht zu La Rochelle.«
»Was, Hugenotten?« rief sie erschrocken, »Hugenotten in unserem Haus! Aber was wird man in Saint-Jean-des-Sables dazu sagen?«
»Madame«, sagte ich ernst, »wer könnte Euch einen Vorwurf machen, wenn Ihr Seiner Majestät gehorcht? Und wer unter den guten
Leuten von Saint-Jean-des-Sables dürfte sich rühmen, ein besserer Katholik zu sein als der Herr Kardinal?«
So beunruhigt sie auch war, hierauf wußte sie nichts zu entgegnen.
Als ich den kleinen Salon betrat, sah ich die beiden Richter mit ihren Bärten und schwarzen Kleidern stocksteif einander gegenübersitzen.
Den Wein und die kleinen Leckerbissen, die ich ihnen hatte bringen lassen, hatten sie nicht angerührt, als würden diese papistischen
Genüsse ihre hugenottischen Kehlen vergiften. Mein Gott, dachte ich, wie soll ich diesen gestrengen Würdenträgern auch nur
ein Wort über die Lage in La Rochelle entlocken?
Um die Unterhaltung zu eröffnen, stellte ich mich mit meiner gewohnten Höflichkeit vor, verschwieg aber, daß ich nicht nur
Erster Königlicher Kammerherr und Mitglied des Staatsrates war, sondern auch Ritter vom Heilig-Geist-Orden, weil ich mich
entsann, daß die Hugenotten die Heilige Dreifaltigkeit in Zweifel zogen.
»Herr Graf«, sagte der größere und vielleicht auch ältere der beiden mit einer gewissen Feierlichkeit, »mein Name ist Pandin
des Martes, ich bin Richter am Präsidialgericht von La Rochelle.«
»Und ich«, sagte sein Gefährte, »heiße Ferrières und bin ebenfalls Richter am Präsidialgericht von La Rochelle, wie mein Freund.«
»Meine Herren«, sagte ich, während ich mir ihre Namen einzuprägen versuchte, »Seine Majestät war sehr gerührt über Eure Unterwerfung,
doch möchte der König gern genauer wissen, aus welchem Grunde Ihr Euch der Gefahr aussetztet, die Mauern von La Rochelle zu
überwinden und zu ihm zu kommen.«
»Herr Graf«, sagte Pandin des Martes, »wenn Monsieur Ferrières es erlaubt, spreche ich in unser beider Namen, Monsieur |294| Ferrières möge mich korrigieren, falls er meint, daß ich mich irre.«
»Ich bin mir gewiß, mein Freund«, sagte Ferrières, »daß ich das nicht muß, da ich weiß, was Sie sagen werden und welche unserer
Ansichten von der Mehrheit des Präsidialgerichts geteilt werden.«
Mit einem Blick auf Monsieur Ferrières erriet ich an seiner Miene, daß ihn zum Einspruch niemand auffordern mußte, Richter
widersprechen zu gerne, das ist ihr Metier.
»Mit einem Wort«, sagte Pandin des Martes, »wir haben es niemals gebilligt, wie Monsieur de Soubise den König mitten im Frieden
reizte, indem er ihm eine Stadt nahm, floh, sobald der König erschien und sie wieder befreite, und ihm, kaum daß er den Rücken
gekehrt hatte, die nächste raubte. Ebensowenig gebilligt haben wir das verräterische Bündnis mit England sowie die bedeutende
Hilfe, die La Rochelle den Engländern leistete, als diese die Insel Ré besetzten.«
»Eine bedeutende, aber nicht uneigennützige Hilfe«, sagte Ferrières. »Sie war höchst einträglich für den Rochelaiser Handel,
man verkaufte den Engländern auf Ré zu sehr überhöhten Preisen die Lebensmittel, derer sie bedurften und die uns dann bitter
mangelten, als die Belagerung begann.«
»Gewißlich«, sagte Pandin des Martes, »lieben und verehren wir das höchstedle Haus Rohan, indes müssen wir feststellen, daß
dieser Krieg die Frucht seines Ehrgeizes ist. Es ist eindeutig, daß der Herzog von Rohan und sein Bruder Soubise sich das
Land Aunis, die Inseln und das Languedoc zum unabhängigen Herrschaftsbereich machen wollen. Seht nur, wie man sich in der
höchstedlen Familie die Rollen aufteilte: Soubise setzte in London Himmel und Hölle in Bewegung, damit König Karl I. La Rochelle
abermals zu Hilfe eile. Der Herzog von Rohan durchstreift mit einem kleinen Heer das protestantische Languedoc, um die hugenottischen
Städte gegen den König aufzuwiegeln. Und die wackere Herzogin hat sich in La Rochelle niedergelassen, um die Rochelaiser zum
Kampf bis ans Ende zu ermutigen,
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