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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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was leider auch heißt, bis ans Ende ihres Lebens.«
    »Frau von Rohan ist aber nicht die einzige in La Rochelle«, sagte ich, »die jeden Gedanken an Kapitulation voll Abscheu verwirft.«
    |295| »Das ist richtig«, sagte Ferrières, »Ihr könnt Euch aber nicht vorstellen, Herr Graf, wie gering die Zahl dieser Erbitterten
     in Wahrheit ist. Sie lassen sich sehr schnell aufzählen: Der Bürgermeister Guiton, die zwölf Schöffen, die ihm im Stadtrat
     eine schmale, aber getreue Mehrheit sichern, und unsere acht Pastoren, die keine unbedeutende Rolle spielen.«
    »Wahrhaftig«, sagte ich, »das sind nicht viele!«
    »Aber sie haben die unumschränkte Macht«, sagte Pandin des Martes, »die Pastoren über das Geistige, der Bürgermeister und
     die zwölf Schöffen über das Zeitliche.«
    »Und was sagen die Pastoren?«
    »Ha, die Pastoren!« sagte Ferrières. »Wißt Ihr nicht, daß sie im Besitz der absoluten Wahrheit sind? Im Namen dieser absoluten
     Wahrheit behaupten sie, Gott werde ihrer Sache zum Sieg verhelfen, weil es die gerechte Sache ist. Im übrigen sind sie der
     Meinung, die Toleranz, die das Edikt von Nantes ihnen wie uns allen gewährt, gelte nur für sie. Wie schon in Pau geschehen,
     wurden mit Beginn der Belagerung die katholischen Priester aus der Stadt vertrieben. Herr Graf, ich bekenne mich selbst zur
     reformierten Religion, wenn man die Sache aber gerecht beurteilen will, muß man einräumen, daß unsere guten Rochelaiser als
     erste und guten Gewissens das Edikt von Nantes gebrochen haben, ein Edikt, das uns alle schützt.«
    »Ich bezweifle aber«, sagte ich, »daß die Pastoren mit ihren Predigten noch lange Menschen überzeugen und zwingen können,
     die vor Hunger zugrundegehen, die sich, wie wir hörten, vor dem Rathaus zusammenrotteten und ›Frieden oder Brot!‹ schrien.
     War es nicht so, meine Herren?«
    »So war es«, sagte Pandin des Martes. »Aber was vermögen diese armen abgezehrten Menschen, die sich kaum auf den Beinen halten,
     gegen Guitons Soldaten, die sie mit gesenkten Piken abdrängen und im Handumdrehen auseinandertreiben?«
    »Guitons Soldaten?« fragte ich. »Ist er denn auch Befehlshaber der Truppen?«
    »Nach seiner Wahl zum Bürgermeister hat er sich dazu erklärt«, sagte Pandin des Martes, »um nach Gott der einzige Herr an
     Bord zu sein. Und seit er sich zum Diktator erhoben hat, verletzt er ungestraft die Institutionen der Stadtgemeinde!«
    Daß dies eine schwere Anklage gegen Guiton war, begriff ich, weil ich wußte, welch hohe Achtung die Hugenotten ihren |296| selbstgeschaffenen Institutionen erwiesen. Ich konnte der Angelegenheit im Moment aber nicht nachgehen, denn Luc trat zaghaft
     herein und bat mich mit vor Respekt oder Angst flackernden Augen ums Wort – vor Angst, meine ich, denn er hütete sich wie
     vor der Pest, auch nur einen Blick auf meine Hugenotten zu werfen.
    »Herr Graf«, sagte er mit stockender Stimme, »Madame de Bazimont läßt fragen, ob Ihr mit den Herren zu speisen wünscht?«
    »Meine Herren«, sagte ich, indem ich aufstand, »wollen wir zu Tisch gehen?«
    Während meine beiden Richter sich mit majestätischer Gemessenheit und ohne ein Wort erhoben, bemerkte ich, daß sie vom Wein
     nur genippt, die Leckereien aber noch immer nicht angerührt hatten. Doch wie freudig wurde ich überrascht, als ich ihnen voraus
     das Speisezimmer betrat und den Domherrn Fogacer erblickte! Meine beiden Richter indessen erblaßten angesichts seiner Robe
     und schienen im Begriff, sich in ihr hugenottisches Schneckenhaus zu verkriechen.
    »Meine Herren«, sagte Fogacer mit seinem langsamen, gewundenen Lächeln und indem er die Brauen wölbte, »bitte, erschreckt
     nicht über mein Gewand. Ich heiße Fogacer und bin in der Tat Domherr, aber ich bin auch Doktor der Medizin, und Seine Majestät
     schickte mich zu Euch nicht Eurer Seelen wegen, die meiner Fürsorge gewiß nicht bedürfen, wie mir scheint, sondern um mich
     Eurer leiblichen Hüllen und der Beeinträchtigungen anzunehmen, die Ihr vielleicht infolge der Nöte erleiden mußtet, welche
     die Belagerung Euch auferlegte.«
    Hiermit grüßte er sie. Ein wenig erstaunt immerhin, daß ein »Papist« sich derweise ausdrücke, beruhigten sich meine beiden
     Richter jedoch und erwiderten, allerdings ohne den Mund aufzutun, den Gruß Fogacers auf das höflichste. Auf unserer Stufe
     war damit der Frieden zwischen Hugenotten und Papisten hergestellt, und ich bemühte mich, alle ihren Neigungen gemäß

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