Kardinal vor La Rochelle
Duell galt als Kapitalverbrechen und wurde unverzüglich mit dem
Tod beider beteiligter Parteien bestraft.
Im Schloß La Sauzaie fand ich den Kardinal so glücklich |291| und vergnügt, wie ich ihn noch nicht erlebt hatte: Daß die Engländer vor der Bucht von La Rochelle aufgeben mußten, hatte
den Bau des Deiches gerechtfertigt, für den er von Anfang an erbittert gestritten hatte, gegen die anfänglichen Zweifel des
Königs. Sobald allerdings der Deich Gestalt annahm, hatte ihm der König bei dieser gewaltigen Aufgabe die unwandelbarste und
tatkräftigste Unterstützung gewährt. Ludwig hatte beim Bau sogar selbst mit Hand angelegt.
»Nun, Orbieu«, sagte der Kardinal mit einer fast übersprudelnden Fröhlichkeit, die ich nicht an ihm kannte, »was bringt Ihr
uns aus Nantes?«
Ich berichtete ihm, daß La Luthumière leider nicht bereit war, seine Schiffe zu verkaufen, nicht einmal zu vermieten, daß
er sich aber verpflichtet habe, der nächsten englischen Expedition, sowohl wenn sie käme, wie wenn sie abzöge, kräftig auf
den Schwanz zu treten. Und auf dieses sein Wort sei durchaus Verlaß, weil es ihn nach einem höheren Adelsrang gelüste, vielmehr
weil seine Gemahlin gar zu gern Marquise wäre.
»Ich werde es dem König mitteilen«, sagte Richelieu und lächelte:
» Sua cuique voluptas.
1 Für mich war es die höchste Genugtuung, wie die Engländer unverrichteterdinge beidrehen mußten: Es war ein Paukenschlag, der die Feinde des Königs betäubt
hat, auch die inneren Feinde. Wie hätten sie über unsere Niederlage triumphiert, und wie betrübt sie jetzt unser Sieg! Stellt
Euch vor, Orbieu, stellt Euch die Trauer unseres schönen Hofes vor, die satanische Herzogin von Chevreuse, die diabolischen
Reifröcke: Ihr Buckingham zum zweitenmal besiegt! Müssen da nicht sogar die Engel lachen?«
Doch wie überrascht von seinem eigenen Überschwang, besann sich Richelieu, setzte sich und fiel wieder in den knappen, entschiedenen
Ton, in dem er seine Instruktionen erteilte.
»Monsieur d’Orbieu, ich habe für Euch einen neuen Auftrag: Gestern sind zwei Richter des Rochelaiser Präsidialgerichts aus
ihrer Stadt geflohen. Sie erreichten ohne Aufhaltungen unser Fort Beaulieu, stellten sich vor und unterwarfen sich dem König.
Im Moment sind sie bei mir. Es sind Männer von einiger Bedeutung. Ich möchte, daß Ihr sie mitnehmt nach Schloß Brézolles,
wo Ihr, wie ich höre, ja quasi der Herr im |292| Hause seid … Bietet ihnen, wenn möglich, gute Tafel, gute Unterkunft, behandelt sie aufs beste. Hütet Euch aber, sie zu unvermittelt
auszufragen. Beschränkt Euch darauf, den Mitteilungen, die sie Euch unfehlbar machen werden, ein geneigtes Ohr zu leihen.
Meinen Zuträgern zufolge brennt es zwischen dem Stadtrat von La Rochelle und dem Präsidialgericht, ich möchte darüber Genaueres
wissen.«
Damit entließ mich Richelieu und überließ es mir und seinen Sekretären, den Aufbruch der beiden Richter zu arrangieren, die
sich vermutlich sehr erstaunt und geehrt in der Karosse des Kardinals wiederfanden, während Nicolas und ich vorweg trabten,
um ihnen den Weg nach Brézolles freizumachen. Im stillen fragte ich mich natürlich, woher der Kardinal wußte, daß ich auf
Brézolles »quasi der Herr im Hause« sei. Offenbar spionierte er nicht nur die Feinde des Königs aus, er hatte auch auf die
treuesten Untertanen Seiner Majestät ein wachsames Auge für den Fall, daß ihre Ergebenheit einmal ins Wanken käme.
Unterwegs beschloß ich, Nicolas vorauszuschicken, um Madame de Bazimont zu benachrichtigen, daß ich zum Mittagessen zwei Gäste
mitbrachte, denen der Kardinal seine Karosse zur Verfügung gestellt hatte in der Hoffnung, sie könnten für einige Zeit im
Schloß wohnen, wenigstens bis der König über ihren weiteren Aufenthalt entschieden hätte.
Wer weiß, was Nicolas dem Hauptmann Hörner erzählte, jedenfalls stand bei unserer Ankunft das Gittertor von Brézolles weit
offen, und die Schweizer bildeten ein Ehrenspalier, wenn nicht für die Gäste, so zumindest für das Gefährt des Kardinals.
An so viele Ehren zum Empfang meiner Gefangenen hatte ich nicht gedacht, doch mochte ich Nicolas deshalb nicht tadeln, denn
wenn ich meinen Gästen nützliche Auskünfte abgewinnen wollte, konnte zuviel Liebenswürdigkeit nicht schaden.
Schön geputzt und frisiert, empfing Madame de Bazimont die Gäste auf der Freitreppe und geleitete sie in den kleinen Salon,
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