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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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unbequem es auch sei, sich in einer Schüssel zu waschen, die der Diener füllt, leert und wieder füllt, tat ich doch mein
     Bestes, mich nach diesem Tagesritt zu reinigen, wobei ich voll Bedauern der Zuber meiner Kindheit gedachte sowie der Pariser
     Badehäuser. Wie reizend, wie unbeschwert war es dort zugegangen, wenn auch ein wenig lose, denn die Badefrauen, jung, hübsch
     und fröhlich, hatten einem nicht nur den Rücken gewaschen. Weshalb unsere heilige Kirche besagte Badehäuser hatte verbieten
     lassen, wodurch die Tugend der Franzosen vielleicht gewann, ihre Reinlichkeit aber ganz und gar nicht.
    Mir schien, daß man für dieses Abendessen größeren Aufwand betrieben hatte als am Vortag. Der Tisch war prächtig mit einem
     Damasttuch gedeckt, auf dem vergoldetes Geschirr und Kristallgläser funkelten. Und zwischen den Gedecken von Madame de Brézolles
     und mir zog sich, einer Grenze gleich, aber einer leicht zu überwindenden Grenze, auf einer Laubgirlande eine Reihe duftender
     Purpurblüten hin.
    Gern wäre ich stehen geblieben, um Madame de Brézolles bei ihrem Eintritt zu begrüßen, aber so wacklig und altersgrau Monsieur
     de Vignevieille auch war, bat er mich doch mit solcher Energie, Platz zu nehmen, daß ich schließlich einwilligte. Wahrscheinlich
     dachte er sich, ich würde lange warten müssen, weil seine Herrin noch Toilette machte. So lange dauerte es denn aber doch
     nicht. Weil Madame de Brézolles, wie ich ja schon wußte, alles fein und klug zu erwägen wußte, ließ sie |41| mich gerade so lange warten, daß ihre Verspätung ein wenig aufreizend, aber nicht unhöflich war.
    Endlich erschien sie, in mattblaue Seide gekleidet, Reifrock und Mieder mit gestickten Blumen besät, nicht aber mit jener
     Flut von Perlen, durch die unsere Damen am Hof ihre Schönheit zu erhöhen meinen. Das Ganze war äußerst elegant, von einer
     Zurückhaltung, die besten Geschmack bezeugte, und ebenso diskret war sie geschminkt, während unsere Zierpuppen ja Rouge und
     Bleiweiß in einem Übermaß auflegen, daß man meinen möchte, das Gesicht, das ihnen der Herrgott gegeben hat, genüge ihnen nicht,
     sie wollten sich ein anderes machen. Doch zurück zu Madame de Brézolles. Sparsam in der Schminke wie im Schmuck, trug sie
     nur eine fein gearbeitete goldene Kette, die ihren lieblichen weißen Hals zur Geltung brachte. An ihrer linken Hand blinkte
     ein einziger Ring, so schön, daß er keinen Bruder an anderen Fingern geduldet hätte. Und schließlich hatte Madame de Brézolles
     etwas, das mich bei Frauen stets bezaubert: eine leise, sanfte und melodische Stimme.
    Ich erhob mich, und es begann jener Austausch von Grüßen und Reverenzen, die unsere tyrannischen Bräuche uns auferlegen. Gott
     sei Dank, machte Madame de Brézolles dem aber rasch ein Ende, indem sie mir ihre Hand reichte, deren Fingerspitzen ich mit
     einem angedeuteten Kuß bedachte. Kurz, bei dieser zweiten Begegnung benahmen wir beide uns so scheinheilig reserviert, als
     ob wir die Romanfiguren der
Astrée
nachahmten, deren heiße Liebe bis in den Tod zum Heulen keusch und rein bleibt.
    Das Mahl war ebenso köstlich wie am Vorabend, doch ein vertrautes Gespräch kam nicht in Gang. Madame de Brézolles blieb still
     und stumm, die schönen goldbraunen Augen sinnend auf mich gerichtet, und ich fragte mich, welchen vorteilhaften Handel sie
     nun wieder aushecke, nachdem sie sich bereits eine elf Schweizer starke Bewachung im Tausch für Logis und Verköstigung zweier
     Personen gesichert hatte.
    Aber damit waren die Dinge, offen gestanden, sehr falsch dargestellt, denn zu meinem Vorteil, und der war nicht gering, durfte
     ich die unendliche Wohltat verbuchen, mich nach all den Monaten der Entbehrungen und Schrecken in der Zitadelle Saint-Martin-de-Ré
     einer süßen weiblichen Gegenwart zu erfreuen.
    |42| Als meine Gastgeberin still blieb wie ein Marmorengel, bemühte ich mich, unser stummes Beieinander zu beleben, indem ich diesen
     und jenen Strohhalm herbeibrachte, dem Redefeuer aufzuhelfen. Madame de Brézolles antwortete jedoch mit keiner Silbe, sah
     mich nur immer auf das liebenswürdigste an, so daß auch ich verstummte. Und wir beendeten das köstliche Mahl, wie es begonnen
     hatte, das heißt mit einem nahezu ununterbrochenen Austausch von Blicken, die kein einziges Wort begleitete.
    Weil die Augen begieriger waren als die Münder, aßen wir wenig und wechselten bald in den kleinen Salon hinüber, wo uns ein
     Eisenkrauttee

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