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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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irdischen Paradies, das dem Menschen zu betreten vergönnt ist. Und ich steckte ihn
     in das Schloß, in welchem er sich zweimal so glatt und lautlos drehte, daß ich mir sicher war, Madame de Brézolles habe es
     bei meinem Einzug ölen lassen, oder vielmehr, sie selbst habe es mit zarter Hand geölt, um beim Gesinde keinen Verdacht zu
     wecken.
    Zu meiner unendlichen Erleichterung drehte sich die Tür leicht in den Angeln, und als ich sie schloß, stellte ich fest – aber
     hätte ich das nicht ahnen können? –, daß es auf der Seite von Madame de Brézolles auch nicht die Spur eines Riegels gab …
     Nach der letzten Bastion stand keine allerletzte zu bezwingen. Die Festung gehörte mir.
    Oder sollte ich nicht besser sagen, ich gehörte ihr? Was hatte ich groß getan für den Sieg, und wieviel hatte die Feindin
     mir geholfen! Die meinen Eintritt übrigens gar nicht zu bemerken schien, wie sie da behaglich im Nachtgewand in einem Sessel
     saß und ihre bloßen Füße zum Kaminfeuer streckte.
    »Mein Freund«, sagte sie, indem sie mir ihre goldbraunen Augen zuwandte, »lange habt Ihr gebraucht!«
    »Eine Viertelstunde, Madame, wie Ihr befahlt.«
    »Eine Viertelstunde? Ein Jahrhundert, wolltet Ihr sagen!«
    So liebreich empfangen, setzte ich ein Knie vor ihr nieder, nahm auf das andere ihre nackten Füße und streichelte sie. Sie |47| waren kalt geworden, und ich wärmte sie nicht nur mit meinen Händen, sondern auch mit meinem Atem.
    »Bitte, mein Freund«, sagte sie, »tragt mich zu meinem Lager. Ich weiß nicht, warum ich auf einmal so müde bin.«
    Es war die pure Ausrede, denn als sie mir die Arme um den Hals schlang, damit ich sie leichter aufheben könne, strahlten ihre
     Augen wie Sterne.
    »Mein Freund«, sagte sie dann mit sehnsüchtiger Stimme, »löscht Euren Leuchter. Stellt meinen auf den Nachttisch. Und bitte,
     bitte, zieht rings um uns die Gardinen zu. Wozu hat man sonst ein Himmelbett?«
    Schöne Leserin, die Sie meine Memoiren so aufmerksam lesen, daß Sie sich manchmal sogar Sätze merken, die ich längst vergessen
     habe, bitte, bezeugen Sie: Immer wenn sich in meinen Bänden ein Himmel um ein Paar schließt, erzähle ich nicht weiter. Eine
     Regel, die ich mir im Gegensatz zu meinem Vater gesetzt habe, der in
Unsere grünen Jahre
seine Liebesnächte mit der Vicomtesse de Joyeuse für mein Gefühl allzu eingehend geschildert hat. Was er angeblich später
     bereute, ohne daß aber die Vicomtesse, mittlerweile alt und fromm geworden, es ihm jemals irgendwie verübelt hätte.
    Wenn ich jetzt trotzdem einige Bemerkungen anfüge, schöne Leserin, hoffe ich damit Ihr Schamgefühl nicht zu verletzen. Sie
     haben auch nichts mit Frivolität zu tun, sondern sind zum Verständnis meiner gegenwärtigen wie zukünftigen Beziehung zu Madame
     de Brézolles unverzichtbar.
    Zweierlei gab mir im geschlossenen Himmelbett zu denken. Von allen Frauen, denen ich bisher begegnet war, war Madame de Brézolles
     in Liebesdingen die naivste und unwissendste, ausgenommen natürlich in dem, was wir mit anderen Säugetieren gemein haben und
     was zu unserer Fortpflanzung sicherlich notwendig ist, aber mit dem wunderbaren Reichtum an Zärtlichkeiten, die sich der menschliche
     Genius ersann, nichts zu tun hat.
    Diese Entdeckung warf das betrüblichste Licht auf den seligen Monsieur de Brézolles, und ich machte mich daran, seine Witwe
     in ihr unbekannte Bereiche einzuführen. Sie war, das muß ich sagen, eine sehr begabte und sehr gelehrige Schülerin. Doch bei
     aller Aufgeschlossenheit verweigerte sie zu meiner großen Überraschung strikt jegliche Verhütungsmaßnahme.
    |48| »Aber, Liebste«, sagte ich, »wenn wir das nicht tun, läufst du Gefahr, Mutter zu werden.«
    »Die laufe ich.«
    »Willst du denn ein uneheliches Kind?«
    »Das ist mir gleich! Gott sei Dank, bin ich von niemand abhängig. Ich besitze große Güter. Ich besäße sogar noch größere,
     wenn meine Schwiegerfamilie mir das Erbe meines seligen Mannes nicht streitig machte.«
    »Und der Skandal?«
    »Es wird keinen Skandal geben.«
    »Wollt Ihr vielleicht den Erstbesten heiraten, um ein Kind in diesem Hause zu rechtfertigen?«
    »Würde Euch das grämen?« fragte sie, glücklich überrascht.
    »Selbstverständlich, ich will doch nicht, daß irgendein Hergelaufener mein Kind aufzieht.«
    »Graf, wie rührend Ihr seid! ›Mein Kind‹, habt Ihr gesagt, dabei ist es noch gar nicht gemacht.«
    »Aber wenn es gemacht ist, soll ich dann keine Rechte an

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