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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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anderen hatten sich weitab vom Heerlager eingemietet, durften es aber im Kutschwagen besuchen, um von ferne zuzuschauen, wenn
     die Königlichen und die englische Flotte sich in der Bucht von La Rochelle mit Kanonen beschossen.
    Die Höflinge wiederum hatten sich fast sämtlich an Ludwigs Seite zu den Waffen begeben, und so gab es zum Lever des Königs
     jedesmal eine Offiziersversammlung, wo übrigens nur dienstliche Belange zugelassen waren, jedes Anliegen persönlicher Art
     war derzeit verpönt.
    Sowie ich mich der Balustrade näherte, die Ludwigs Bett umgab, raunte mir Berlinghen ins Ohr, wie ich ja sähe, sei Ludwig
     noch mit Herrn von Schomberg befaßt, doch wolle er mich gleich danach sprechen. Also wartete ich. Wie ich schnell bemerkte,
     zeigte der König nicht jene mürrische, grimmige, argwöhnische oder wortlos gereizte Miene wie zumeist im Louvre, |51| sondern wirkte vielmehr aufgeräumt und guter Dinge. Das freute mich, wenn es mich auch nicht verwunderte. Und mit Verlaub
     des Lesers will ich jetzt meinen Vers zu der entscheidenden Rolle sagen, die Ludwig bei der Belagerung von La Rochelle spielte.
    Jeder am Hof wußte, daß Ludwig nie so glücklich war, wie wenn er seine Armeen um sich hatte. Nicht, weil er kriegslüstern
     und darauf versessen war, den benachbarten Reichen Provinzen zu rauben, sondern weil er es für seine oberste Pflicht erachtete,
     ein Soldatenkönig zu sein wie sein Vater und das Reich ungeschmälert zu bewahren, das Henri Quatre mit so ungeheurer, Jahre
     währender Mühsal hatte erobern müssen, so daß er seine Hauptstadt erst nach der längsten und schrecklichsten Belagerung hatte
     betreten können.
    Der Macht ferngehalten von seiner Mutter, die ihn nicht liebte und allein regieren wollte, hatte Ludwig zur Zeit ihrer Regentschaft
     von klein auf und von ganz allein mit bewundernswertem Fleiß die Disziplinen und Geheimnisse des Waffenhandwerks erlernt.
     Mit siebzehn Jahren kannte er sich in allem aus, noch ohne gekämpft zu haben. Nachdem er die Macht ergriffen hatte, erhielt
     er dazu schnell die Gelegenheit, denn bekanntlich erhoben sofort und von allen Seiten Feinde die Waffen gegen seinen Thron,
     allen voran seine eigene Mutter.
    Ich habe oft gedacht, daß Ludwig, wäre er nicht König geworden, einen ausgezeichneten Feldmeister abgegeben hätte, so sorglich
     wachte er über alles, bis in jede Kleinigkeit: den Proviant, den Zustand von Kanonen und Musketen, die Pulvervorräte, die
     Anzahl der verfügbaren Kugeln, die Fortschritte oder Verspätungen beim Schanzenbau und, was nicht die geringste Schwierigkeit
     war, die Beschaffung der Gelder, um die Männer zu bezahlen.
    »Der Sold«, befand Richelieu in seiner schönen Rhetorik, »ist die Seele des Soldaten und die Stütze seines Muts.« Was der
     König prosaischer so ausdrückte: »Wenn sie nicht bezahlt werden, laufen sie davon.«
    Dieser Erfahrung gewiß, befahl Ludwig insbesondere bei dieser Belagerung, die für die Zukunft des Reiches von so entscheidender
     Bedeutung war, daß am Sold nicht geknapst werde: Zehn Sous bekam jeder Soldat pro Tag, und wer sich freiwillig |52| zum Schanzenbau (und später zum Deichbau) meldete, erhielt zwanzig Sous extra. Ein Vermögen für diese Armen!
    Was die Auszahlung anging, traf Ludwig zwei bemerkenswerte Maßnahmen. Die Soldsummen gingen nicht mehr an die Hauptleute,
     damit diese sie den Männern austeilten (was alle möglichen Mißbräuche einschloß), sondern die Männer wurden direkt von Intendanten
     bezahlt, deren Redlichkeit erprobt war. Damit unterband Ludwig Wut und Verachtung der Soldaten für ihre Offiziere, so gewann
     der Respekt, den sie ihnen schuldeten, und folglich auch die Disziplin.
    Wie sein Vater kannte Ludwig seine Männer. Alte Soldaten erkannte er wieder und nannte sie beim Namen. Vor allem wußte er,
     wie ihnen zumute war. Im Feld zum Beispiel wurden sie plötzlich verschwenderisch und leerten ihre Beutel, um nichtigen Kram
     zu kaufen, denn die Lebensgefahr trieb sie, jeden Augenblick auszukosten. Um solch unheilvoller Vergeudung entgegenzuwirken,
     traf Ludwig eine weitere klarsichtige Maßnahme: Er ordnete an, daß die Soldaten nicht monatlich bezahlt wurden wie die Offiziere,
     sondern wöchentlich, und es zeigte sich in der Tat, daß sie besser haushielten.
    Ludwig kümmerte sich auch um ihre Kleidung, die sich beim Lagerleben schnell abnutzte. Um des Ansehens seiner Armee, der Moral
     der Truppen und ihrer Gesundheit willen duldete er

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