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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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ihm haben?«
    »Alle, Graf, Ihr braucht mich nur zu heiraten!«
    »Madame!«
    »Lieber Freund«, sagte sie, »macht bitte kein so erschrockenes Gesicht. Ich will Euch ja gar nicht! Und selbst wenn Ihr es
     mir aus Unbedacht heute anbötet, könnte ich Euch nur das entschiedenste Nein entgegensetzen.«
    »Warum?«
    »Weil Ihr mich noch nicht genug liebt.«
    Ich war sprachlos.
    »Ihr meint also, Madame«, sagte ich nach einer Weile, »es wird ein Tag kommen, an dem ich Euch so liebe, wie Ihr es erwartet?«
    »Bestimmt.«
    »Meine Liebe, Ihr seid Eurer sehr sicher!«
    »Nein, mein Freund, Eurer bin ich sicher. Ich kenne Eure Natur. Ihr liebt die Menschen. Ihr habt die Gabe, Euch Liebe zu erwerben.
     Und sobald man Euch liebt, liebt Ihr noch mehr.«
    »So denkt Ihr Euch das also. Meine Liebe, darf ich fragen: Bin ich hier, weil Ihr Lust auf mich hattet, oder weil Ihr ein
     Kind wollt?«
    »Ich antworte auf die erste Frage ja und ja auf die zweite. |49| Seid Ihr mir böse? Ich habe zehn Jahre auf ein Kind gewartet, von Monsieur de Brézolles konnte ich keines bekommen. Wißt Ihr,
     wie Ihr mir erschienen seid, als Ihr mein Haus betratet?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Fast schäme ich mich, es zu sagen, so albern werdet Ihr es finden. Ihr seid mir erschienen wie ein Gesandter des Herrn.«
    »Und das soll ich glauben?«
    »Ihr müßt. Ich habe so sehr gebetet, um endlich einem Edelmann zu begegnen, der sich würdig erweist, der Vater meines Kindes
     zu werden. Ach, so sehr, und immer vergeblich! Und gerade als ich verzweifelte, kamt Ihr zum Tor herein wie der heilige Georg,
     von seinem schönen Junker gefolgt. In mir wurde es Licht. Meine Gebete waren wie durch ein Wunder erhört worden.«
    »Meine Liebe«, sagte ich so sanft ich konnte, »das Wunder war einfach die Belagerung von La Rochelle und mein Bedarf an einem
     Quartier. Ich wäre ein elender Hochstapler, wenn ich behaupten würde, der Herrgott habe mir den Gang zu Euch befohlen.«
    »Nein, nein, dazu war kein Befehl des Allerhöchsten nötig«, sagte Madame de Brézolles, keineswegs durch meine platte Bemerkung
     beirrt. »Gott hat die Dinge einfach so arrangiert, daß wir uns begegnen mußten. Wenn Ihr gläubig seid, werdet Ihr einräumen,
     daß es keinen Zufall gibt und daß kein Spatz vom Baum fällt, ohne daß die Vorsehung es so beschlossen hatte.«
    »Ja ja, so lehrt man uns«, sagte ich. »Aber an welchen Zeichen wollt Ihr denn erkannt haben, daß ich der Erwählte sei?«
    »Oh«, sagte sie, »das waren ganz sichere, ganz zweifelsfreie Zeichen! Wißt Ihr nicht, wie ich in meiner Begier, Euch kennenzulernen,
     Euch eine Unzahl indiskreter, zudringlicher und ungehöriger Fragen stellte? Und alle habt Ihr, ohne es mir zu verweisen, mit
     einer Engelsgeduld beantwortet.«
    Mein Gott, dachte ich, zuerst der heilige Georg! Jetzt ein Engel! Mit welch glänzenden Flügeln schmückt mich die Schöne, damit
     ich dieses demütige Zeugungswerk vollbringe! Aber, natürlich, ich begreife! So leicht ist ihr die Phantasie denn doch nicht
     zur Hand, daß sie nicht mitten in Glück und Hoffnung die Schrecken der Sünde fürchtete, die an außerehelicher Liebe haften.
    |50| Jedenfalls kehrte sie, sowie sie mich über ihre Gründe hinreichend aufgeklärt fand, mit unermüdlichem Eifer zu der Aufgabe
     zurück, die sie sich gestellt hatte, und so verging die restliche Nacht zu unser beider Zufriedenheit, ohne weitere Worte
     und ohne Schlaf.
    Am frühen Morgen nahm ich mit Nicolas wieder den Weg nach Aytré zum Lever des Königs. Ich war von jener köstlichen Schlaffheit
     durchdrungen, mit der die Natur uns die Mühe, unsere Art fortzusetzen, lohnt. Meine Accla, die an den lockeren Zügeln auf
     ihrem Hals spürte, daß ich erschöpft und schläfrig war, trottete brav den Weg, den wir am Vortag getrabt waren. Verständnisvoll,
     aber verschwiegen folgte mir Nicolas. Trotzdem döste ich nicht. Ich war in Gedanken versunken. Liebte ich Madame de Brézolles
     bereits? Und wenn, liebte ich sie schon so, wie sie es erwartete? Vor allem aber war ich von einem Gefühl übermannt, das ich
     noch nie empfunden hatte. Seit meinen Jugendjahren hatte ich immer nur Liebschaften erlebt, die um keinen Preis fruchtbar
     sein wollten, und diese nun, die es wollte, schenkte mir etwas ganz Neues, Unvermutetes, das mich mit einer seltsamen Freude
     erfüllte.
    ***
    Der Hof in Aytré war nicht der Hof, wie ich ihn kannte, vor allem fehlten die Damen. Die einen waren in Paris geblieben, die
    

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