Kardinal vor La Rochelle
eine große Schande für Euch, daß Ihr zum Wohl der Kirche und des Reiches nicht einmal ein Dritteil Eurer Reichtümer
beitragen wollt! Dort wäre es besser angewandt als bei den Gelagen, die Ihr alle Tage haltet. Zwei Millionen, die reichen
einen Monat. Ich sage noch einmal, ich will mehr oder gar nichts!«
Ludwig schwieg, doch nur, um Atem zu holen und den armen Prälaten seine Fänge noch tiefer in die Waden zu schlagen. Und wie
scharf, verletzend und niederschmetternd dieser Biß war, und welche Geißelung Ludwigs Ironie!
»Meine Herren!« sagte er, und Donner grollte und rollte in seiner Stimme, »welch eine große Schmach für die gesamte Geistlichkeit
wird es sein, wenn man überall sagen kann, allein die Hugenotten und die Geistlichkeit hätten nichts beigetragen zur Belagerung
von La Rochelle!«
Wahrhaftig, dachte ich, als ich diese vernichtenden Worte hörte, niemand als der König durfte ungestraft so sprechen und die
Priesterfürsten mit denjenigen auf eine Stufe stellen, die sie als todgeweihte Ketzer bezeichneten.
Wer unter den getroffen bebenden Herren die Erwiderung |55| wagte, ohne sich allerdings zu zeigen, konnte ich nie herausbekommen. Aber was jener sagte, war, außer daß es der Wahrheit
widersprach, auch noch höchst ungeschickt.
»Sire«, sagte er, »wir sind eben nicht so reich!«
Worauf Ludwig, rot vor Entrüstung, ihm eine Abfuhr erteilte, die eine unmißverständliche Drohung enthielt.
»Ihr redet mir von Bedürftigkeit!« sagte er zornig. »Seid Ihr nicht alle Würdenträger, die fünfundzwanzig-, dreißig-, ja hunderttausend
Livres Renten beziehen! Euch sollte man mit Abgaben und neuen Steuern belegen, und nicht die armen Pfarrer!«
Tatsächlich, wenn man die Dinge umgekehrt hätte, so daß statt der Pfarrer die hochwürdigen Herren hätten zahlen müssen, es
hätte die Bischöfe weit mehr als drei Millionen gekostet. Ganz ungeachtet dessen, daß im vorangegangenen Jahrhundert König
Franz I. sämtlichen Landbesitz der hohen Geistlichkeit beschlagnahmt hatte, um die Staatsfinanzen zu sanieren.
»Sire«, sagte der Vorsitz führende Erzbischof, »erlaubt, daß wir uns abermals beraten, ob wir mit vereinten Anstrengungen
Eure Majestät nicht vielleicht zufriedenstellen können.«
Eine halbe Stunde später erklärte der Vorsitzende Seiner Majestät, nach bewegender Anhörung und in Anbetracht der Schwierigkeiten,
die eine edle Sache, die Verteidigung der katholischen Religion, dem König bereite, hätten die Erzbischöfe und Bischöfe einmütig
beschlossen, ihm eine Kontribution von drei Millionen Livres zu leisten.
***
Mit deiner Erlaubnis, Leser, kehre ich nun wieder acht Monate zurück, das heißt zum Oktober 1627, als ich hinter der Balustrade,
die das königliche Bett umgab, auf Berlinghens Empfehlung hin wartete, bis der König mit Herrn von Schomberg gesprochen hatte,
um meinerseits und seinem Befehl gemäß vor ihn zu treten.
Das Gespräch zwischen dem Marschall und Seiner Majestät schien nicht zum besten zu gehen, ersterer wirkte verstört und bestürzt,
während der König mit unwilliger Miene auf ihn einredete, jedoch so leise, daß hinter den Balustraden kein Wort zu verstehen
war. Immerhin dauerte die Zurechtweisung kurz, und nachdem der König dem Marschall Bescheid gestoßen hatte, |56| reichte er ihm die Hand, welche der Unglückliche kniefällig voll Hingebung küßte – schließlich bedeutete die Geste, daß er,
wenn auch gescholten, doch, Gottlob, nicht in Ungnade gefallen war. Noch ganz zerfurcht vor Kummer erhob sich der Marschall
und ging an mir vorüber, ohne mich wahrzunehmen, sichtlich, wenn auch vergeblich bemüht, den Anwesenden ein undurchdringliches
Gesicht zu zeigen.
Auf ein Zeichen Berlinghens durchschritt nun ich die Balustrade und kniete vor Ludwig nieder, der mir sogleich bedeutete aufzustehen.
»Sioac«, sagte er leise, »ich habe wenig Zeit. Kurz nur dies: Nach unserer Ankunft hier gab es plötzlich Streit zwischen dem
Herzog von Angoulême einerseits und Schomberg und Bassompierre andererseits. Geh augenblicklich zum Herrn Kardinal. Er unterrichtet
dich weiter.«
Damit entließ er mich, indem er liebenswürdig lächelte, was den übrigen Herren natürlich zu rätseln gab. Die Kürze des Gesprächs
zeugte nicht von der größten Gunst, das Lächeln zum Schluß aber widersprach dieser Mutmaßung, oder sollte ich Hoffnung sagen?
Denn Schadenfreude ist am Hof verbreitet, jede Ungnade –
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