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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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nicht, daß seine Soldaten in Lumpen gingen, so wie die armen englischen
     Soldaten am Ende der Belagerung von Saint-Martin-de-Ré.
    Dazu erdachte sich Ludwig einen neuen Weg. Er befahl jeder der zehn größten Städten des Landes, eins seiner zehn Regimenter
     einzukleiden. Der Sparsamkeit halber sollten diese Kleider nicht aus feiner Wolle sein, sondern aus dem groben Wollstoff,
     der für Mönchskutten diente. Aus zugleich rührendem und naivem Zartgefühl verlangte er jedoch, daß dieser Wollstoff, um seine
     Soldaten nicht zu demütigen, indem er sie wie Mönche kleidete, »auf feine Wolle gefärbt« werde.
    Stets liebenswürdig, zumindest in seiner Ausdrucksweise, sagte der Kardinal, um ein so großes Heer bei der Pflicht zu halten,
     bedürfe es einer »milden Strenge«. Solche Nachsicht war Ludwigs Sache nicht: Wer dreimal schwer gegen den Gehorsam verstoßen
     hatte, wurde gehängt. Ebenso endete am Galgen, wer raubte, plünderte oder vergewaltigte.
    |53| Für Ludwig und den Kardinal verstand es sich von selbst, daß die Heeresdisziplin nicht ohne Disziplin der Seelen aufrechtzuerhalten
     war. Jeder Soldat mußte regelmäßig zur Messe und zur Beichte gehen. Am Sonntag, dem Tag des Herrn, gestattete Ludwig keine
     Kanonaden, keine Schießereien. Woraufhin die Hugenotten sich nicht als schlechtere Christen zeigen wollten und ebenfalls die
     Sonntagsruhe achteten.
    Dieser Tag ohne den entsetzlichen Kanonendonner, ohne das heimtückische Pfeifen der Kugeln und folglich ohne Verwundete und
     Tote war für unsere Truppen ebenso wie für die Rochelaiser jedesmal eine kleine Atempause und eine große Erleichterung, und
     auf beiden Seiten lebte man ab Montag darauf hin. Da die Hugenotten und wir zum selben Gott beteten, nur auf verschiedene
     Weise, mag sich so manch einer im stillen gefragt haben, warum dieser Waffenstillstand nicht auf die übrigen Wochentage ausgedehnt
     werden konnte. Waren nicht auch sie Tage des Herrn?
    Keusch und fromm, wie Ludwig war, wollte er unterbinden, daß seine Soldaten zu den verachteten Lagerhuren gingen. Aber, wie
     mein Großvater, der Baron von Mespech, zu sagen pflegte: »Das hätte das arme Tier zu scharf gezügelt.« Und zumindest hierin
     sprach die Natur auf tausend Umwegen lauter als jedes Verbot.
    Bei aller Sorge um das Heil der Seelen vergaß Ludwig die körperliche Gesundheit nicht. Ärzte, Feldschere und Apotheker – letztere
     sehr gut mit Heilmitteln versehen – waren im Lager fast so zahlreich wie die Priester und hatten viel zu tun, denn das Wetter
     an der Küste war immer windig und stürmisch.
    Von zwölftausend Mann wuchs die Belagerungsarmee allmählich auf dreißigtausend. Nie hatte man ein so gewaltiges Heer gesehen
     noch eines, das so gut verpflegt, ausgerüstet, diszipliniert und besoldet war. Aber es kostete Tag um Tag eine unerhörte Menge
     Geld, und ebenda drückte den König und Richelieu der Schuh am härtesten. Wie ich bereits erzählte, hatte Richelieu zu Beginn
     der Belagerung auf seinen eigenen Besitz eine Million zweihunderttausend Livres geliehen. Doch so groß der Vorrat auch war,
     erschöpfte er sich rasch. Es wurden neue Anleihen aufgenommen, Krongüter verpfändet, alles zusammengekratzt. Nach der halben
     Belagerungszeit mit seinen |54| Ressourcen am Ende, forderte Ludwig von den Bischöfen und Erzbischöfen eine beträchtliche Kontribution, damit er den Kampf
     fortsetzen könne. Und mit Erlaubnis des Lesers greife ich hier meiner Erzählung vor. Ich begleitete Ludwig, als er sich am
     vierundzwanzigsten Mai nach Fontenay-le-Comte begab, wo die Prälaten zur Beratung zusammengetreten waren. Bis ans Ende meiner
     Erdentage werde ich mich erinnern, wie die Dinge zwischen den violetten Soutanen und dem König verliefen. Sehr schlecht, muß
     ich sagen: Er hatte drei Millionen Livres verlangt. Die Versammlung bewilligte ihm zwei.
    Leser! Wer Ludwig da nicht in seinem Zorn sah, hat nichts gesehen! Ich glaubte meinen Augen und Ohren nicht zu trauen: Er
     war bei dieser berühmten Gelegenheit ganz sein Vater, als dieser das Pariser Parlament abkanzelte, weil es das Edikt von Nantes
     nicht bestätigen wollte. Das war die gleiche Verve, unvermittelt, volksnah, eine flammende Flut, in der kein Wort vielmals
     gewendet war, sondern den hohen Würdenträgern ins Gesicht geschleudert wurde, wie es kam.
    »Zwei Millionen!« rief Ludwig mit funkelnden Augen. »Zwei Millionen habt Ihr gesagt! Ich will viel mehr, oder ich will gar
     nichts! Was für

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