Kardinal vor La Rochelle
zum Großprior
von Frankreich ernannt. Diese Würde brachte ihm große Einkünfte, aber zum Glück keine religiösen Verpflichtungen, denn der
Grünschnabel hätte sie sämtlich vernachlässigt, so leichtfertig und flatterhaft war er.
Immerhin hatte er ein gutes Herz, und als Heinrich III. von Jacques Clément in Saint-Cloud ermordet wurde, beweinte er ihn
und schloß sich, nun völlig schutzlos geworden, Henri Quatre an, dem er in den Schlachten von Arques, Vitry und Fontaine Française
mit solcher Tapferkeit diente, daß Henri ihn zum Grafen von Auvergne machte. Dieser Titel hätte ihm allgemach ein Fürsten-
und Pairtum samt einem höchst angenehmen |59| Dasein beschert, wenn seine Mutter, Marie Touchet, nach dem Tod Karls IX. sich nicht unglücklicherweise mit François d’Entragues
vermählt hätte.
Dieser Edelmann nun gehörte zu jener Sorte großer Fische, die am liebsten in Intrigen schwimmen. Bis er darin jedoch voll
erglänzen konnte, zeugte er mit Marie Touchet eine Tochter, Henriette, eine schöne, schmächtige Brünette, die große Macht
über Männer hatte und Henri Quatre im Handumdrehen den Kopf verdrehte.
»Wie Ihr seht«, sagte Fogacer, »waren die Frauen dieser Familie königliche Mätressen von der Mutter auf die Tochter.«
Sobald Henri in ihren Netzen zappelte, stellte sich die Schöne quer: Nachgeben könne sie nur dann, wenn der König ihr ein
schriftliches Heiratsversprechen ausstelle. Der Unglückliche unterschrieb es, so blendete ihn die Liebe. Und kaum war die
Tinte trocken, heiratete er Maria von Medici, so daß er sich Schelte von zwei Seiten einhandelte und beide Paradiese ihm zur
Hölle wurden. Schließlich gab er Henriette den Laufpaß.
Der Clan der Entragues war tödlich beleidigt, und Henriette überzeugte ihren Vater, François d’Entragues, und ihren Halbbruder,
den Grafen von Auvergne, daß die einzige Rache dafür nur die sein könne, Henri von seinem Thron zu stoßen. Nie sah man eine
dreistere Intrige, nie eine dümmere. Die Entragues-Sippe ging soweit, Fühlung mit Spanien aufzunehmen, das aufs Geratewohl
seine Hilfe versprach. Aber was kostete Spanien schon ein Versprechen?
Dieses ganze unsinnige Strohfeuer fiel binnen eines Wimpernschlags in sich zusammen. Die Verschwörer wurden entdeckt, festgenommen
und verurteilt: François d’Entragues und der Graf von Auvergne zum Tod, Henriette, die immerhin die Seele des Komplotts war,
zu Gefangenschaft.
Natürlich verstand der Hof, weshalb sie geschont wurde und wie die Dinge laufen würden. Henriette nicht minder. Aus dem Kloster,
in dem sie eingesperrt saß, schrieb sie unserem Henri einen schluchzenden Brief, in dem sie ihn anflehte, sie in ihrem Kerker
zu besuchen, bevor der unstillbare Schmerz, von ihm getrennt zu sein, sie dahinraffe … Henri, jeder Schwäche fähig, wo es
um Frauen ging, gab nach. Er kam, sah und wurde besiegt.
|60| Mit ausgebreiteten Schwingen und hoch erhobenem Schnabel entflog Henriette ihrem Kloster (wo sie sich nicht eben heilig benommen
hatte) und erwirkte, daß die Todesstrafe für Vater und Bruder in Kerkerhaft umgewandelt wurde. Dann trennten sich die Schicksale.
François d’Entragues, alt und krank, kam ziemlich bald frei, der Graf von Auvergne hingegen wurde, weil er das Kriegshandwerk
beherrschte, für gefährlich erachtet. Er blieb zwölf Jahre gefangen. Sie haben recht verstanden, Leser, zwölf ganze Jahre!
Wenn illustre Fremde die Festung, wo er einsaß, besichtigten, verlangten sie stets, »den ältesten Gefangenen der Bastille«
zu sehen.
Im Jahr 1616 befreite ihn Maria von Medici, weil so viele hohe Herren sich gegen sie verbündet hatten, daß der Beistand eines
Edelmannes, der die Waffen zu führen verstand, ihr willkommen war. Und sie wurde nicht enttäuscht. Zwölf Jahre Bastille hatten
den Grafen von Auvergne zur Besinnung gebracht, er bewies sowohl der Regentin eherne Treue wie dann auch ihrem Sohn, nachdem
der die Macht ergriffen hatte. 1617 übertrug ihm Ludwig ein Regiment. Wenig später wurde er Herzog und Pair, und als Buckingham
die Insel Ré überfiel, vertraute ihm der König, bis er selbst von seiner Krankheit genesen wäre, um sich an Ort und Stelle
zu begeben, den Oberbefehl des Heeres an, das La Rochelle einschließen sollte.
Ludwigs Instruktionen waren präzise, und der Herzog von Angoulême führte sie unverzüglich aus. Gleich nach seiner Ankunft
besetzte er, ohne Waffengewalt zu gebrauchen, die
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