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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Gunst innehatte und das einem mittellosen
     Nachgeborenen Ansehen und Einkünfte verschaffte.
    Als Bischof dann widmete sich Richelieu seinem Bistum |65| mit so viel Sorgfalt, Fleiß und Liebe, daß er ein exemplarischer Priester wurde, der sich bemühte, die ungebildeten Pfarrer
     zu belehren und besser für ihre seelsorgerische Aufgabe zu rüsten. Im übrigen gab er ihnen ein Beispiel, wie es wenige Bischöfe
     vorlebten: Er war keusch.
    Während ich den Kardinal so schlank und aufrecht und mit so sicherem Tritt übers Parkett schreiten sah, fiel mir plötzlich
     nicht ohne Erheiterung ein, daß seiner Ahnenreihe, auf die der hohe Herr so stolz war, doch auch ein Tropfen bürgerliches
     Blut beigemischt war. Es erheiterte mich, weil ich von meiner dasselbe sagen konnte, denn mein Urgroßvater väterlicherseits
     war Apotheker gewesen. »Zum Teufel«, sagte mein Vater, »wenn ich mich dieses Tropfens schämen würde! Im Gegenteil, wer weiß,
     ob ich sonst die Wißbegier aufgebracht hätte, die mich zum guten Mediziner machte. Und wie könnte ich vergessen, daß die jungen
     Edelleute im Périgord, meine Freunde, nichts anderes im Kopf hatten als Jagen, Spielen, Fechten und Tanzen. Die meisten konnten
     kaum lesen und schreiben schon gar nicht. Zur Entschuldigung behaupteten sie, Studieren schmälere den Mut.«
    »Monsieur d’Orbieu«, sagte der Kardinal, höflich wie immer, »habt Dank für Eure Geduld. Und nun beliebt mir zu folgen.«
    So folgte ich ihm denn in ein Kabinett neben dem Saal, in dem seine drei Sekretäre ihre Federn wetzten. Aha, sagte ich mir
     im stillen, die Affäre muß es in sich haben, wenn Richelieu darüber nur unter vier Augen reden will!
    Wir nahmen Platz und der Kardinal richtete seinen ernsten Blick auf mich.
    »Seine Majestät hat es Euch bereits angedeutet«, sagte er. »Zwischen dem Herzog von Angoulême einerseits und Schomberg und
     Bassompierre andererseits ist ein gefährlicher Zwist entbrannt. Der Grund ist der: Der Herzog verlangt, daß sie sich ihm unterordnen,
primo
, weil er hier der erste war und Generaloberst des Heeres von La Rochelle ist,
secundo
, weil er seit vierzig Jahren Waffen trägt,
tertio
, weil er Prinz von Geblüt ist und der letzte lebende Valois. Was haltet Ihr von diesen Argumenten, Graf?«
    »Daß sie bis zur Ankunft des Königs galten. Des Königs Wille ist das Gesetz.«
    »Gut gesprochen, Graf!« sagte Richelieu. »Trotzdem, Schomberg und Bassompierre begehren auf, und der König will nicht |66| einschreiten, um keinen der drei Protagonisten zu verprellen. Es muß aber eine Einigung herbeigeführt werden, dabei hat er
     an Euch gedacht.«
    »Monseigneur«, sagte ich, »wenn der König befiehlt, gehorche ich, aber das wird keine leichte Aufgabe sein. Zumal zwei der
     genannten ruhmvollen Herren über fünfzig sind und der dritte dieses Alter bald erreicht. Wer bin ich in ihren Augen, wenn
     nicht ein unbeschriebenes Blatt, ohne Erfahrung, ohne Ahnung vom Krieg?«
    »Unerfahren seid Ihr nicht, Graf, Ihr wart bei Sablanceaux im Feuer und wart in der Zitadelle Saint-Martin-de-Ré dabei. Im
     übrigen fehlt es Euch, beziehungsweise Eurem Vater nicht an Beziehungen zu den Genannten. Der Marquis de Siorac kannte und
     beriet den Herzog von Angoulême, als der noch Großprior war. Schomberg weiß Euch großen Dank, daß Ihr ihm aus seiner Ungnade
     herausgeholfen habt. Und Bassompierre, ein alter Freund Eures Herrn Vaters, steht Euch besonders nahe, seit er mit Eurer Halbschwester,
     der Prinzessin Conti, vermählt ist.«
    »Leider, Monseigneur, hat uns diese Verbindung eher voneinander entfernt.«
    »Dennoch war es meines Wissens Bassompierre, der Euch vor dem Hinterhalt warnte, dem Ihr bei Fleury en Bière zum Opfer fallen
     solltet.«
    Das stimmte, doch woher der Kardinal dies wußte, weiß Gott allein, denn ich hatte es nur meinem Vater gesagt und keinem Menschen
     sonst.
    »Allerdings«, sagte ich, »schien es Bassompierre wenig behaglich zu sein, als er mir das Leben rettete. Es war, als reue es
     ihn, sein Lager zu verraten.«
    »Demnach könnte man annehmen«, sagte Richelieu, »daß er Euch, seiner Gemahlin zum Trotz, noch einen Rest Freundschaft bewahrt.«
    »Ich hoffe es.«
    »Ich auch!« sagte Richelieu, indem er aufstand, »und ich wünsche von ganzem Herzen, daß Eure Mission gelingt. Denn wenn die
     Querelen zwischen unseren Heerführern nicht aufhören, kommen wir mit La Rochelle nie zu Rande.«
    ***
    |67| Von allen Aufträgen, die ich bisher

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