Kardinal vor La Rochelle
hatte,
uns Holzscheite zu stehlen – ein gesegneter Diebeszug, denn seitdem erleuchteten ihre goldenen Haare das Leben meines Vaters.
Bei Regen und Wind trabten wir gemeinsam durch den Morast nach Aytré, wo mein Vater sich dem König vorstellte und sehr gnädig
empfangen wurde, ebenso La Surie, wenn auch kürzer, weil die Aufmerksamkeit Seiner Majestät von den Offizieren des Heerlagers
beansprucht wurde.
Außerhalb der Balustraden konnte mein Vater seinen lieben alten Freund Fogacer umarmen, mit dem er einst gemeinsam an der
Ecole de Médecine zu Montpellier studiert hatte. Und weil unser Domherr ja immer alles wußte, erfuhren wir von ihm, daß Toiras,
wenn auch noch unverändert Feldkommandeur unter Bassompierre, gestern nach Chef de Baie versetzt |70| worden war und daß in Coureille nun der Herzog von Angoulême und Schomberg den Befehl führten.
Wir mußten also, nachdem wir den dröhnenden Du Hallier um Passierscheine für meinen Vater und La Surie ersucht hatten, den
endlosen Weg von Aytré nach Coureille zurücklegen, um Herrn von Schomberg aufzusuchen, den wir in dem behaglichen kleinen
Haus fanden, das Toiras soeben verlassen hatte.
Ich hatte mir Herrn von Schomberg für meine erste Unterhandlung auserkoren, weil er sicherlich nicht vergessen hatte, welchen
Dienst ich ihm einmal erwies, als er infolge einer Verleumdung bei Ludwig in Ungnade gefallen war. Er wußte genau, daß ich,
als ich mich bei Seiner Majestät für ihn einsetzte, Gefahr lief, selbst »tronçonniert« zu werden, denn Ludwig hielt eifersüchtig
auf seine Macht und duldete keinen Widerspruch.
Schöne Leserin, ich möchte, daß Sie Schomberg näher kennenlernen, und sei es nur, weil er
urbi et orbi
als Musterbeispiel der ehelichen Treue galt: eine von allen bewunderte Tugend, die aber wenige pflegen, vor allem am Hof.
Vor neunundzwanzig Jahren hatte er die schöne Françoise d’Epiant geheiratet, und er liebte sie noch wie am ersten Tag. Er
war jetzt zweiundfünfzig, aber ihn deshalb alt zu nennen wäre höchst unpassend gewesen. Er war groß, hatte breite Schultern,
blaue Augen im kantigen Gesicht und nicht die Spur von einem Schmerbauch. Gewiß waren seine Züge nicht so fein ziseliert wie
die von Lord Duke of Buckingham, dafür waren sie männlicher, und so manche Schöne am Hof hätte sich gern an seiner rauhen
Schale gerieben. Aber Schomberg sah und merkte von den Sammetpfoten und verstohlenen Blicken nichts. Er liebte seine Frau
und fürchtete Gott.
Gottesfürchtig war er, aber niemals im politischen Sinn, ohne jede Neigung zu den Ultramontanen, für die der Papst über Königen
und Kaisern steht und über ihre Bündnisse zu gebieten hat: eine Ansicht, die Ludwig mit solcher Schärfe bekämpfte, daß er
seinen Bischöfen eines Tages vorwarf, sie seien »keine echten Franzosen«.
Franzose war Schomberg, weil er in Frankreich lebte, aber nicht vom Blut her, er entstammte altem sächsischen Adel. Von seinem
Vater, Oberst der Deutschen Reiterei unter Karl IX., hatte er nicht nur deutsche Tugenden wie Verläßlichkeit und |71| Treue geerbt, sondern auch das Gouvernement Marche und den Oberbefehl der deutschen Truppen in Frankreich. Am Hof hieß es,
nie würde der König jemand anderen zum Kammerdiener nehmen als einen Berlinghen und nie in seinem Heer auf einen Schomberg
verzichten. Nachdem Ludwig ihn der Ungnade enthoben hatte, war Schomberg glücklich aus seiner Verbannung zurückgekehrt, ohne
seinem Gebieter etwas nachzutragen. Im Gegenteil. Der König hatte ihm Gerechtigkeit erwiesen: Er liebte ihn dafür noch mehr
und diente ihm aufs beste. Und Ludwig ernannte ihn in Anerkennung seiner Tapferkeit, Erfahrung, Redlichkeit und Treue im Jahr
1625 zum Marschall von Frankreich, und es war für Schomberg ein großer Tag, als der König ihn aus diesem Anlaß im Louvre empfing
und protokollgemäß mit »mein Cousin« anredete.
Wir ließen uns durch den Wachhabenden melden, und nach herzlichen Begrüßungen lud Schomberg uns alle zu Tisch. Es war das
erstemal, daß Schomberg meinem Vater begegnete. Er zeigte sich von ihm tief beeindruckt, nicht nur, weil der Marquis de Siorac
zwanzig Jahre älter war als er, sondern vor allem, weil er, der nie mehr bei Hofe erschien, eine Art Legende darstellte, denn
es war allbekannt, welche gefährlichen Missionen er unter Heinrich III. und Henri Quatre erfüllt hatte und daß er nach Giacomis
Tod als einziger in Frankreich die berühmte
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