Kardinal vor La Rochelle
Jarnac-Finte beherrschte. Bis er sie eines Tages mir beibrachte, auf daß es die
Haudegen des Hofes gar nicht erst gelüste, sich zur Vergrößerung ihres Ruhms mit mir anzulegen. Ein großartiger Dienst, den
er mir damit erwies, denn so wenig diesen Schlagetots ein Menschenleben auch galt, fürchteten sie doch jene berüchtigte Finte,
die zwar nicht tötet, die einem aber die Kniekehle durchtrennt und einen damit fürs Leben verstümmelt. Und wie, zum Teufel,
imponiert man den Schönen des Hofes auf einem Bein? Oder mit einer Krücke unterm Arm?
»Herr Marschall«, sagte ich zwischen Birnen und Käse, »so sehr ich mich auch freue, Euch wiederzusehen, komme ich jetzt doch im Auftrag des Königs zu Euch, den der Zwist zwischen Euch
und dem Herzog von Angoulême außerordentlich beunruhigt. Er wünscht, daß wir gemeinsam einen Weg finden, diesen zu schlichten.
Wollen wir darüber unter vier Augen reden oder in Gegenwart dieser Herren?«
|72| »Wozu unter vier Augen?« entgegnete Schomberg störrisch. »Meine Ansicht ist jedem im Lager bekannt. Ludwig hatte den Herzog
von Angoulême zum Oberbefehlshaber der Truppen von La Rochelle ernannt, wie Ihr wißt, weil ihn, kurz bevor er zur Belagerung
der Stadt aufbrechen wollte, eine schwere Krankheit niederwarf. Er brauchte einen Prinzen von Geblüt als Stellvertreter, um
der Welt deutlich zu machen, wie wichtig ihm dieser Feldzug war. Und weil er die Hugenotten seinem Thron eines Tages zurückzugewinnen
hofft, entschied er sich gegen Prinz von Condé, weil der Prinz seit dem abscheulichen Massaker von Nègrepelisse als wütender
Protestantenfeind verschrien ist. Seit aber Seine Majestät genesen im Feldlager eintraf, führt Sie und niemand anders den
Oberbefehl der Truppen, und Angoulême kann nicht verlangen, daß ich als Marschall von Frankreich mich ihm weiterhin unterordne.
Ich bin nur dem König verpflichtet.«
Hierauf gab es nichts zu erwidern, und ich fragte mich, wie ich das festgefahrene Gespräch fortsetzen sollte, als mein Vater,
nachdem er mich mit den Augen befragt hatte, das Wort ergriff.
»Herr Marschall«, sagte er, »erlaubt Ihr, daß ich mich in diese Diskussion einmische?«
»Monsieur de Siorac«, sagte Schomberg, indem er sich ehrerbietig verneigte, »Eurem Spruch lausche ich gern, wie immer er ausfalle.
Eure Erfahrung und Weisheit sind mir bekannt.«
»Er wird Euch gefallen, Herr Marschall, denn ich gebe Euch von A bis Z Recht. Jedoch …«
»Jedoch?« fragte Schomberg.
»Der König will weder auf Euch verzichten noch auf Monsieur de Bassompierre, noch auf den Herzog von Angoulême. Er braucht
Euch alle drei. Und Ihr könnt notgedrungen nicht anders, als Euch zu bemühen, ihn auf die eine oder andere Weise zufriedenzustellen.«
»Ja, aber wie?« sagte Schomberg, und aus seinem mannhaften Gesicht sprachen zugleich Pflichttreue und die Ratlosigkeit, wie
ihr zu genügen wäre.
Ich nützte den Moment, die Würfel von meinem Vater zu übernehmen.
»Herr Marschall, es gibt keine Wahl. Wir müssen einen Kompromiß finden.«
|73| »Einen Kompromiß!« rief Schomberg und hob die Arme. »Das Vergnügen kenne ich! Jedesmal, wenn ich im Leben einem Kompromiß
zugestimmt habe, hatte ich das Nachsehen.«
»Das muß nicht so bleiben, Herr Marschall«, sagte ich lächelnd. »Darf ich einen Vorschlag machen? Nehmen wir, mit Verlaub,
einmal an, der König würde den Herzog und Euch völlig gleichstellen und sagen, jeder von Euch solle die Armee von Coureille
abwechselnd befehligen.«
»Darüber ließe sich nachdenken«, sagte Schomberg. »Trotz dem bliebe der Herzog bei dieser Hypothese weiterhin Oberbefehlshaber.«
»Zugegeben. Es wäre ja auch unziemlich, ihm diesen Titel zu entziehen, nur würde der Titel in dem Fall zur leeren Hülse. Da
jetzt der König zugegen ist, führt de facto er das Kommando.«
»Und wie«, fragte Schomberg, »sollte bei Eurer Hypothese die abwechselnde Befehlsführung aussehen?«
»Einen Tag er, einen Tag Ihr.«
»Oho!« sagte Schomberg, »das ist vom Standpunkt der Strategie aber höchst bedenklich.«
»Ihr habt völlig recht, Herr Marschall«, sprang mein Vater mir bei. »In einem Bewegungskrieg wären zwei verschiedene Kommandeure
ein Desaster, wenn der eine hü sagte und der andere hott. Aber bei einer Belagerung, wo die Grundposition ja die gleiche bleibt,
wird ein Befehlswechsel die Kriegführung kaum beeinträchtigen.«
Ich hätte ahnen können, daß mein Vater, als er
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