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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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bin ich weder Seemann noch Ingenieur, noch Baumeister.«
    »Aber du hast eine gute Nase, Sioac, deine Ansichten waren mir immer nützlich. Geh nach Chef de Baie, Schomberg wird dir die
     Arbeiten zeigen.«
    Damit entließ er mich, und obwohl es sehr schmeichelhaft war, aus dem Mund eines so leidenschaftlichen Jägers zu hören, daß
     ich eine gute Nase hätte, dünkte mich dieser Auftrag, außer daß er meine Einsichten überstieg, äußerst delikat. Jeder im Feldlager
     wußte, daß der Kardinal, weit mehr als der König, fest an diesen Deich glaubte und daß er meinte, jede Unternehmung, und erscheine
     sie anfangs noch so schwierig, werde gelingen, sofern man sie nur mit Überzeugung, Tatkraft und Beständigkeit betreibe. Was
     auch immer meine »gute Nase« also über die Haltbarkeit des Deiches befände, ich durfte mir sicher sein, daß es dem einen gefallen
     und dem anderen mißfallen würde.
    |113| Der hünenhafte Schomberg empfing mich in Coureille mit offenen Armen, die er zu meinem Leidwesen so fest um mich schloß, daß
     ich kaum Luft bekam, wobei er mir auch noch freundschaftlich auf den Rücken klopfte. Nachdem er Nicolas das gleiche Los bereitet
     hatte, der unter solchen Zärtlichkeiten ums Haar aufgeschrien hätte, lud uns Schomberg zu Tisch, zu einer dampfenden, duftenden
     Hammelkeule, die er sogleich aufzuschneiden begann.
    In dem Moment führte der Wachhabende Nicolas’ älteren Bruder herein, den Hauptmann de Clérac, der einen Befehl des Königs
     überbrachte. Er als einziger entging der Umarmung des Marschalls, weil der zu sehr mit seiner Hammelkeule beschäftigt war
     und ihn anwies, sich ohne Umstände zu uns zu setzen. Dann forderte Schomberg uns auf, ihm der hierarchischen Ordnung gemäß
     unsere Näpfe zu reichen, zuerst ich, dann Hauptmann de Clérac und zum Schluß der Junker Nicolas, der aber trotzdem nicht zu
     kurz kam.
    Die ersten Bissen und die ersten Schlucke Loire-Wein wurden in Schweigen eingenommen, schließlich mußten wir zuvorderst dem
     armen Tier genügen, doch als der erste Hunger gestillt war – was nicht heißt, daß wir den zweiten übergingen –, fanden wir
     zur artikulierten Sprache zurück, wie sie dem Menschen eigen ist.
    »Ah, Clérac!« sagte Schomberg, »was führt Euch her?«
    »Herr Marschall«, sagte Clérac, »ich bringe zwei Botschaften Seiner Majestät, eine schriftliche für Euch und eine mündliche
     für den Herrn Grafen von Orbieu.«
    »Wenn Ihr erlaubt, Graf«, sagte Schomberg, »sehen wir uns zuerst den Brief des Königs an.«
    Obwohl Clérac zur Linken des Marschalls saß und er ihm das Schreiben nur hätte zu übergeben brauchen, stand er auf, nahm Hab-acht-Stellung
     ein und hielt Schomberg, indem er salutierte, den königlichen Brief am ausgestreckten Arm entgegen. Danach blieb er stehen
     in Erwartung eines Befehls.
    »Zum Teufel, setzt Euch, Clérac!« sagte Schomberg, der es gleichwohl mißbilligt hätte, wenn der Hauptmann dem König und ihm
     zu Ehren nicht aufgestanden wäre.
    Clérac lockerte und setzte sich, rührte aber seine Mahlzeit nicht an, vielmehr blickte er ergeben auf Schomberg, der mit zugleich
     wichtiger und besorgter Miene das königliche Siegel |114| erbrach. Einen Brief von Ludwig öffnete man nie ohne Furcht, denn er tadelte öfter, als er lobte.
    Doch sowie Schomberg gelesen hatte, erglänzte sein Gesicht in heller Freude.
    »Meine Herren, hört, was der König mir schreibt!« sagte er in nahezu triumphierendem Ton. »Er fragt mich, ob die Armee von
     Chef de Baie gestern vom Herzog von Angoulême oder von mir befehligt wurde.«
    Hierauf lachte Schomberg aus vollem Hals, während wir einander verständnislos anblickten.
    »Und wer, meine Herren, hat gestern die Armee von Chef de Baie befehligt?« fuhr Schomberg lachend fort. »Wer anders, meine
     Herren, als der Herzog von Angoulême?«
    Clérac, Nicolas und ich wechselten verwunderte Blicke, wobei wir halb lächelten, um den Herrn des Hauses nicht zu verletzen,
     verstanden aber noch immer nicht.
    »Herr Marschall«, sagte ich, »was ist denn gestern in Chef de Baie passiert, daß der König wissen will, wer dort den Befehl
     führte?«
    »Ach, das wißt Ihr nicht?« rief Schomberg. »Dann werd ich’s Euch sagen, es ist kein Geheimnis. Noch vor heute abend wird die
     Geschichte im ganzen Lager herum sein. Gestern, bei anbrechender Dunkelheit, machten die Rochelaiser einen Ausfall. Sie haben
     uns überrumpelt, haben zwei Kompanien über den Haufen gerannt, an

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