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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Monaten geht die Sonne zeitig unter, falls sie überhaupt zum Vorschein kommt.

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    |117| FÜNFTES KAPITEL
    Tatsächlich, als wir Herrn von Schombergs Quartier verließen, war kein noch so schwacher Sonnenschimmer zu sehen, der Himmel
     hing schwarz und tief, es regnete wie aus Eimern und stürmte, daß man sich kaum aufrecht hielt. Hinzu kam, daß uns der eisige
     Regen wegen des Windes schräg und mit einer Gewalt entgegenschlug, daß man ihm den Rücken kehren mußte, sonst hätte er einen
     mit tausend Nadelstichen ins Gesicht getroffen und einem den Mund verschlossen.
    »O weh!« sagte Schomberg, »nehmen wir lieber meine Kutsche! Wozu sollen wir uns zu Pferde durchweichen lassen? Es genügt schon,
     daß die armen Soldaten bei solchem Wetter am Deich arbeiten müssen.«
    Aber sowie die Karosse sich in Bewegung setzte, rüttelte sie der Sturm wie einen Pflaumenbaum, und die Kopfpferde hatten Mühe,
     auch nur Schritt zu gehen, obwohl die Straße, vor dem Feuer der Rochelaiser geborgen, gute sechs Fuß unterhalb der Umzingelungswälle
     lag. Was ich höchst beruhigend fand, denn der Hohlweg schützte uns nicht nur vor Beschuß, sondern teilweise auch vor den jähen
     Windböen, die für mein Gefühl stark genug waren, Pferde und Wagen mit uns in den Morast zu stürzen.
    Endlich langten wir auf dem Kliff, ein gutes Stück nördlich des Dorfes Chef de Baie an, und als wir ausstiegen, empfing uns
     eine so ungestüme Böe, daß Schomberg uns nur noch zuschreien konnte, wir sollten ihm folgen, und sich im Laufschritt zu einer
     Holzbaracke flüchtete. Diese wurde von mindestens vier Trossen am Boden gehalten, deren Enden an einem Mörser verhakt waren.
     Ohne diesen Halt hätte der Sturm die Baracke davongeweht.
    Die Tür war glücklich hinter uns geschlossen, und ich sah zuerst nur einen Ofen, einen großen Tisch mit bäuerlichen Stühlen
     darum und bedeckt mit quadrierten Blättern, deren vier Ecken von Kieselsteinen beschwert wurden. Dann erblickte ich zwei |118| schlicht und warm gekleidete Männer, die Schomberg mir vorstellte, den Ingenieur Métezeau und den Baumeister Thiriot.
    »Graf«, sagte Schomberg, »diese beiden Herren können alle Eure Fragen beantworten. Der eine hat die Pläne für den Deich entworfen,
     dem anderen hat der König den Bau anvertraut.«
    »Herr Marschall«, sagte Métezeau, der, so schmächtig und grau er auch aussah, doch guter Dinge schien, wenn man seiner volltönenden,
     klaren Stimme glaubte, »wohl habe ich die Pläne für den Deich gezeichnet, doch verbessere ich sie noch täglich nach dem Rat
     des Herrn Baumeisters.«
    »Oh, Baumeister«, sagte Thiriot, ein untersetzter Mann mit einem Gesicht so rot wie ein Schinken, »Baumeister ist zuviel gesagt!
     Ich bin Maurer, und noch dazu ein Maurer, der nicht mauert, weil wir mit Losestein arbeiten.«
    »Was nennt Ihr Losestein?« fragte ich.
    »Steine, die nicht durch Mörtel verbunden sind, sondern die durch ihr Gewicht und ihre Einpassung zusammenhalten.«
    »Und warum, Monsieur, werden sie nicht mit Mörtel verbunden?«
    »Weil wir nur bei Niedrigwasser arbeiten, solange die Bucht freiliegt. Bis das Wasser zurückkommt, könnte der Mörtel nicht
     trocknen und würde von der steigenden Flut hinweggeschwemmt werden.«
    »Ihr verwendet also kein Bindemittel?«
    »Doch, Herr Graf, aber nur Schlick.«
    »Wird der Schlick nicht auch weggeschwemmt?«
    »Zum Teil ja, aber es bleibt noch genug haften, außerdem ist Schlick billiger als Mörtel und überall zur Hand. Von ein paar
     Felsen hier und da abgesehen, besteht die ganze Bucht aus Schlick, man braucht sich nur zu bücken.«
    »In Aytré hörte ich, daß Ihr an dem Deich Tag und Nacht arbeitet.«
    »Das ist sehr schmeichelhaft für uns«, sagte der Ingenieur Métezeau lächelnd, »in Wahrheit können wir aber nur bei Ebbe arbeiten,
     das heißt sechs Stunden am Tag. Und nur, wenn das Niedrigwasser nach Sonnenuntergang eintritt, arbeiten wir auch nachts.«
    »Ihr arbeitet also nur sechs Stunden am Tag?« sagte Schomberg, und sein tadelnder Unterton entging weder Métezeau noch Thiriot,
     der noch röter anlief, als er schon war.
    |119| »Wie sollen wir es anders machen, Herr Marschall!« sagte Métezeau ruhig. »Nach sechs Stunden steigt das Wasser, und unter
     Wasser arbeiten können wir nicht.«
    »Und mit Verlaub, Herr Marschall«, setzte Thiriot mit weniger ruhiger Stimme hinzu, »diese Arbeit ist so mühselig und so schwer,
     daß sie, über sechs Stunden hinaus, die

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