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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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liebte, weniger offen war als die Soubrette.
     Trotzdem liebte ich sie und würde sie wahrscheinlich heiraten, wenn sich all diese kleinen Geheimnisse einmal erhellten. Aber
     war es nicht ein Jammer, daß ich ihr immer noch nicht so vertrauen konnte, wie es eine Liebe braucht, wenn sie wachsen und
     dauern soll?
    Es machte mich traurig, wie Perrette ihre Zukunft beschrieben hatte, und ohne sich zu beklagen. Noch härter als in Orbieu
     stand mir das Los eines Mädchens vor Augen, dem all sein Verdienst nichts nützte, weil es keinen entsprechenden Rang und kein
     Vermögen besaß.
    »Kind«, sagte ich sanft, »ich will dich nicht vertreiben, aber was willst du noch hier?«
    »Aber, ich muß Euch doch zum Souper ankleiden.«
    »Richtig«, sagte ich. »Das hatte ich vergessen. Setz dich, Perrette.«
    Sie nahm auf dem Schemel zu meinen Füßen Platz, und weil sie spürte, daß ihr Los mir naheging, lehnte sie ihren Kopf an meine
     Knie.

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    |146| SECHSTES KAPITEL
    Am Tag nach der Mondfinsternis, dem zweiundzwanzigsten Januar, gelang es einem unserer Spitzel, sich gegen Abend aus La Rochelle
     hinauszustehlen und ins königliche Lager zu gelangen. Niemand kannte ihn, und Hauptmann von Bellec, der ihn bei seiner Patrouille
     ohne Passierschein antraf, wollte ihn ohne viel Federlesens aufknüpfen lassen. Der Unglückliche berief sich auf mich als jemanden,
     der bestätigen könne, wer er sei. Man führte ihn mir vor, als ich eben mit Nicolas aufsitzen wollte, um mich nach Pont de
     Pierre zu begeben, und tatsächlich erkannte ich in ihm den Barbier Pottieux, dessen handwerkliche Dienste ich seit meiner
     Ankunft im Feldlager mehrfach in Anspruch genommen hatte.
    Der Mensch hatte ein derart schiefes, schnüfflerisches und hinterhältiges Gesicht, daß man ihm sogar mißtraute, wenn er die
     Wahrheit sprach.
    »Herr Graf«, sagte Bellec, seine Autorität ausspielend, »die Tatsache, daß dieser Barbier Euch das Haar geschoren hat, bedeutet
     noch längst nicht, daß ich ihn ungeschoren lasse. Er hat sich hier ohne Passierschein eingeschlichen, wer traut schon einem
     aus diesem hugenottischen Wespennest!«
    »Herr Hauptmann«, sagte ich, »Pottieux ist keine Wespe, er ist ein besonderer Vogel aus dem Umkreis des Herrn Kardinals.«
    »Und was tut er da?« fragte Bellec, etwas vorsichtiger geworden.
    »Er flötet ihm im Vertrauen dies und jenes, was den Kardinal höchlich interessiert.«
    »Und wenn besagter Vogel auch den Hugenotten flötet, was er hier im Lager hört und sieht?«
    »Kann sein, daß auch das dem Kardinal dienlich ist, vor allem, wenn es sich um Falschmeldungen handelt.«
    »Das ist mir zu hoch, Herr Graf«, sagte Bellec. »Könntet Ihr |147| nicht den Kerl übernehmen und ihn persönlich dem Herrn Kardinal übergeben?«
    »Hauptmann, es ist zwar nicht mein Auftrag, doch denke ich dem König zu dienen, wenn ich Eure Bitte erfülle. Ihr dürft mir
     Euren Gefangenen übergeben und seid somit jeder Verantwortung für ihn enthoben.«
    Bellec tat, als verstehe er meine kleine Spitze nicht, bedankte sich höflich, bat mich, das Pferd, auf dem Pottieux gefesselt
     war, seinem Regiment zurückzuschicken, und schied heilfroh, dieses heiße Eisen los zu sein, zumal seit er wußte, um welche
     Art Eisen es sich handelte.
    »Nicolas«, sagte ich, »binde den Unglücklichen los.«
    »Und wenn er davonläuft, Herr Graf?« sagte Nicolas.
    »Ich und davonlaufen?« schrie Pottieux. »Wohl diesem beschissenen kleinen Hauptmann nach, damit er mich hängt! Mich hängen,
     Donnerschlag! Ist das der Lohn dafür, daß man sich schindet und so viele Gefahren riskiert, um seinem König zu dienen? Ich
     bin kein Hauptmann und sitze nicht auf hohem Roß, aber ich erweise dem König größere Dienste als dieser Angeber. Von den rund
     hundert Hauptleuten in diesem Lager könnte man ohne weiteres zwanzig entbehren, die hier bloß das Großmaul spielen. Aber welche
     Armee käme wohl ohne Kundschafter aus? Meine Gevattern und ich, wir sind sozusagen die Augen und Ohren des Königs!«
    »Ihr habt ganz recht, Meister Pottieux«, sagte ich launig, »Ihr setzt Euch großen Gefahren aus. Aber, wie ich höre, werdet
     Ihr dafür auch nicht übel bezahlt?«
    »Vom Kardinal, ja, aber von den Hugenotten nicht. Die sind zum Heulen geizig. Und Ihr könnt Euch drauf verlassen, daß ich
     mit meinen Meldungen genauso geize. Ich bin sowieso so königstreu wie irgend möglich, ohne meinen Interessen zu schaden.«
    Nicolas warf mir einen Blick

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