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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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ans Ufer schlagen. Höchst unbesonnen ritten wir ihnen am Strand entgegen, doch plötzlich scheuten die Pferde
     und machten von sich aus so jählings kehrt, daß es mich fast aus dem Sattel warf, weil ich die Zügel losgelassen hatte, und
     sie galoppierten in aller Hast über den Sand, bis sie festen Boden erreichten – nicht ohne Grund, denn eine Riesenwelle, die
     ihr Instinkt weit vorher gewittert hatte, fegte ihnen von hinten die Beine bis an den Bauch, die darauffolgende Brandung riß
     sie mehrere Schritte zurück, doch zum Glück, ohne sie umzustürzen. Nach überstandener Gefahr mußten wir sie nicht spornen,
     sondern vielmehr zügeln, denn sie jagten wie wildgeworden bis zum Schloß Brézolles.
    Wir fanden den Pferdestall in hellem Aufruhr, nicht allein wegen der Mondfinsternis, sondern auch wegen des wütenden Windes
     und der Blitze. Die Pferde wieherten aufgeregt, schlugen mit den Hufen gegen die Verschläge, die sie voneinander trennten,
     und unsere Schweizer rannten in alle Richtungen, die Leinen zu lockern, die Riegel zu sichern und die Luken unterm Dach mit
     Stroh zu verstopfen. Wir übergaben ihnen unsere Tiere zum Abreiben, und wenig darauf ließ ich Hörner fünf Flaschen meines
     Loire-Weins bringen, um ihn und seine Männer nach den ausgestandenen Schrecken und Mühen und all der Kälte zu erquicken.
    |142| Im Schloß, wo wir endlich wassertriefend und nahezu taumelnd Zuflucht suchten, wirbelte ebenfalls alles durcheinander, Diener
     liefen hierhin und dorthin, um Türen, Fenster und Läden zu schließen oder zu befestigen, Kammerfrauen, die für die Diener
     einspringen mußten, schleppten Scheite in die Zimmer, um Feuer zu machen. Madame de Bazimont, die als einzige in dem allgemeinen
     Drunter und Drüber die Ruhe zu bewahren schien, sagte, ich könne mir eine gute Stunde Zeit lassen bis zum Abendessen, sie
     habe den ehrwürdigen Doktor und Domherrn Fogacer, der gekommen sei, Luc zu behandeln, dazu eingeladen, auch zum Übernachten,
     denn sie wolle nicht, daß er bei diesem grausamen Sturm den Rückweg antrete.
    Der Sturm legte sich späterhin ebenso plötzlich, wie er aufgekommen war. Trotzdem blieb Madame de Bazimont bei ihrer Entscheidung,
     Fogacer über Nacht dazubehalten. Sie schien völlig in ihn vernarrt, nur ein Glück, dachte ich, daß Fogacer keine Frauen liebte
     – nicht fleischlich jedenfalls –, denn er besaß eine solche Gabe, sie zu bezaubern, daß er sich mehrfacher Verdammnis ausgesetzt
     hätte, seit er der Kirche diente. Madame de Bazimont fügte hinzu, daß François mich diesmal nicht zum Essen umkleiden könne,
     weil er beschäftigt sei, die Fensterläden festzumachen, sie schicke mir aber jemand anderen, ich würde gewiß zufrieden sein.
    In meinem Zimmer nun, weil ich nicht auf den angekündigten Diener warten wollte, häufte ich mit eigenen Händen Scheit auf
     Scheit, um mir ein tüchtiges Feuer zu machen. Dann leuchtete mir die Idee, mir die nassen Stiefel, die voll eiskalten Wassers
     waren, selbst auszuziehen, und die Operation gelang mir mit einer Leichtigkeit, die mich um so mehr verwunderte, als ich sie
     noch nie probiert hatte.
    Wahrhaftig, sagte ich mir, außer wenn einem Edelmann der Küraß angeschnallt oder einer Dame die Baskine im Rücken geschnürt
     werden muß, um ihren Busen zu stützen, braucht es eigentlich die Hilfe eines Junkers oder einer Zofe nicht. Und den Gedanken
     fortführend, was mir bis zu dem Tag noch nie geschehen war – die Gewohnheit macht uns ja blind für den Sinn der Dinge –, kam
     ich zu dem Schluß, daß wir diese Dienste lediglich fordern, um unseren Rang darzustellen, denn beurteilt man die Bedeutung
     eines Hauses nicht nach der Zahl seines Gesindes?
    Ich durchschweifte meine Erinnerung und verhielt voll |143| Rührung bei dem Schauspiel, das mir in jungen Jahren einst die Herzogin von Guise bot, als sie mich ihrer Toilette beiwohnen
     ließ. Sie hatte dabei nicht weniger als acht Kammerfrauen beschäftigt. Eine hielt die Nadeln, die sie nach und nach der Friseuse
     reichte, die andere hielt Bleiweiß und Puder für die Schminke bereit, eine andere brachte das glühende Brenneisen herbei,
     um die Stirnhaare zu Löckchen zu kräuseln, die nächste holte die Schachtel mit den Mouchen, die sie im Gesicht plazierte,
     eine wieder andere, die kaum ins Auge fiel, beschnitt Ihrer Hoheit die Fußnägel, eine weitere salbte die herzoglichen Hände,
     und die letzte wartete mit dem Schmuck, bis Frisur, Schminke und

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